Vor der Ministerpräsidentenkonferenz fordert Hendrik Wüst die Bundesregierung auf, in der Migrationspolitik die Zusagen einzuhalten.
Im August kamen 8000 Flüchtlinge nach NRWWüst: „Die Grenzen des Möglichen sind erreicht“
Bei ihrem Herbsttreffen im Frankfurter Palmgarten, das am Donnerstag beginnt, können sich die Ministerpräsidenten und -präsidentinnen über mangelnde Arbeit nicht beklagen. Neben dem wohl wichtigsten Thema Flüchtlings- und Migrationspolitik stehen die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft, die Versorgungssicherheit, der Streit um einen Industriestrompreis, schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren und die ungewisse Zukunft des Deutschlandtickets auf der Tagesordnung. Und natürlich Bildungsthemen.
Aus Sicht von NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst alles Punkte, bei denen sich die Länder längst einig sind, aber der Bund auf der Bremse steht. Die Ministerpräsidentenkonferenz zeichne „sich dadurch aus, dass die Länder Einigungen erzielen. Sonst haben sie keine Wirkmacht. Es fehlt oft an den Dingen, die die Ampel beisteuern muss, um dann gemeinsam mit dem Bund zu agieren. Da liegt der Hase im Pfeffer“, sagte Wüst am Dienstag vor Journalisten in Düsseldorf.
Städte und Gemeinden mit Geflüchteten überfordert
Nach Angaben von Wüst kommen jeden Monat mehr Flüchtlinge nach NRW. Im August seien es 8000 gewesen, davon nur noch 1000 aus der Ukraine. Das Land habe den Kommunen zugesichert, bis Anfang nächsten Jahres 3000 zusätzliche Unterbringungsplätze zu schaffen. „Zudem leisten wir weitere 808 Millionen Euro Unterstützung bei der Aufnahme und Versorgung von Flüchtlingen und geben damit die Mittel des Bundes vollständig weiter“, so Wüst. „In Summe geben wir fast das Dreifache an die Kommunen, was wir vom Bund erlangen.“
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Der Bund sei das wichtigste Glied in der Kette der Verantwortungsgemeinschaft mit Ländern und Kommunen. Nun müssten endlich die Maßnahmen umgesetzt werden, auf die Länder und Bund sich bereits im Mai gemeinsam verständigt hätten, forderte Wüst. Stattdessen mache der Bund jetzt einen Rückzieher bei der Finanzierung.
„Alle Beteiligten müssen sich klar sein, dass die Grenzen des Möglichen erreicht sind. Wenn das so weitergeht wie bisher, werden wir niemandem mehr gerecht werden“, so Wüst. Weder den Schutzsuchenden noch denen, „die schon länger hier sind, aber wo noch Integrationsarbeit zu leisten ist. Und wir werden auch den Städten und Gemeinden und Flüchtlingshelfern nicht mehr gerecht, die helfen wollen, aber am Limit sind.“
Die ungelösten Migrationsprobleme hätten eine große gesellschaftliche Sprengkraft. Er habe Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) schon vor einem Jahr gedrängt, das Thema anzupacken, bevor sich Konflikte daran entzündeten, so Wüst. „Es ist wenig passiert, leider zu wenig.“ Das treibe Wähler in die Arme der AfD. Wenn in Umfragen rund 80 Prozent der Wählerinnen und Wähler sagten, es brauche eine andere Asyl- und Flüchtlingspolitik, damit weniger Menschen kämen, müsse das zu denken geben.
Die prägende Figur der AfD sei Björn Höcke. „Den darf man einen Faschisten nennen, den darf man einen Nazi nennen“, sagte Wüst. „Wenn die prägende Figur einer Partei Nazi ist, dann ist das eine Nazi-Partei.“ Er könne jeden Wähler nur davor warnen, diese Partei zu wählen.
Energiepreise und Versorgungssicherheit
Die Länder seien sich einig, dass es für eine Übergangszeit einen Industriestrompreis mit einem klar definierten Ende geben muss. Der Internationale Währungsfonds habe die Wachstumsprognose für Deutschland mit minus 0,5 Prozent noch einmal nach unten korrigiert. „Gerade wir aus NRW haben ein großes Interesse daran, dass wir unserer Industrie Antworten geben, die es ihr ermöglichen, hier zu bleiben und für die Zukunft Arbeitsplätze zu schaffen.“ Die Absenkung der Stromsteuer auf das europäische Mindestmaß sei enorm wichtig für den energieintensiven Mittelstand.
Pakt zur Beschleunigung von Planungen und Genehmigungen
„Schiene, Straße, Pipelinebau. Die Dinge dauern schlicht zu lange“, kritisiert Wüst. „Seit zehn Monaten liegen die Ideen der Länder zur Planungsbeschleunigung auf dem Tisch. Die Länder wollen diesen Pakt, machen ihre Hausaufgaben. Wir warten ständig Wochen und Monate auf die Rückmeldung der Bundesregierung. Ich glaube, der Kanzler will das, aber kriegt seine gesamte Regierung nicht dahinter.“
Die Zukunft des Deutschlandtickets
Aus Sicht der Länder steht der Bund auf der Bremse. Bei der Anschlussfinanzierung für 2024 fehlt derzeit eine Milliarde Euro. „Wenn das nicht der größte Preissprung in der Geschichte des ÖPNV in Deutschland werden soll, muss sich der Bund bewegen“, so Wüst. „Der Hinweis des Bundes, ihr müsst mal ein paar Verkehrsverbünde zusammenlegen, wird keine Millionen einsparen.“ Der Bund riskiere gerade sein eigenes Projekt.