Karneval im NRW-Landtag war bisher kaum politisch. Aber jetzt nutzt die SPD den Frohsinn, um den Ministerpräsidenten zu attackieren. Wie das Scharmützel bei den anderen Fraktionen ankommt.
Ott politisiert „Närrischen Landtag“NRW-Landtag: SPD provoziert Wüst mit Orden
Es ist lange her, dass ein Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion aus Köln kam. Kein Wunder, dass der närrische Frohsinn auf den Fluren der Genossen in der fünften Jahreszeit kaum zu spüren war. Nachdem Jochen Ott den Chefsessel von Thomas Kutschaty übernommen hat, ist das nun anders.
Am Dienstag spielt Kult-Sänger Björn Heuser vor dem Fraktionssaal auf, und es werden Orden verteilt. „Hier spielt die Musik“, steht auf der Medaille, die Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) auf die Schippe nehmen soll.
Ott erklärte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ die närrische Botschaft. „Der Ministerpräsident zeigt immer nur nach Berlin, um von seinen Fehlern und Versäumnissen abzulenken“, so der SPD-Fraktionschef. Dabei habe er in NRW genug Probleme, um die er sich kümmern müsste. „Kitas, denen die Pleite drohen, Schulen, die keine Lehrer haben, Brücken, die bröckeln, und ein sozialer Wohnungsmarkt, der eingebrochen ist – all das wären seine Baustellen“, erklärte Ott. Aber Wüst fühle sich dafür nicht verantwortlich. „Stattdessen schielt er nur auf die Kanzlerkandidatur und lässt NRW links liegen. Hier spielt die Musik, und die bekommt er nicht nur an Karneval von uns zu hören“, so der Politiker aus Köln.
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Auszug aus Büttenrede von Fraktionschef Ott
Die Orden werden jetzt beim „Närrischen Landtag“ verteilt. Tollitäten aus ganz NRW kommen ins Parlament und werden von Landtagspräsident André Kuper (CDU) empfangen.
Bei dem Jecken-Gipfel geht es in der Regel völlig unpolitisch zu. Das ändert sich jetzt. Ott lädt die Gruppen, die aus Wahlkreisen von SPD-Abgeordneten stammen, zum Treffen ins Foyer der Fraktion ein. Dort wird er selbst eine Büttenrede halten. Ein Auszug aus dem Entwurf: „Seit den letzten Landtagswahlen/regiert Hendrik Wüst unser Nordrhein-Westfalen/Meine Kinder finden ihn prall/sie freuen sich über Unterrichtsausfall!“
Im Landtag löst die Aktion gemischte Reaktionen aus. Marcel Hafke, Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Landtagsfraktion NRW, erklärte, die Liberalen würden auf eigene Orden verzichten, sich stattdessen lieber inhaltlich einbringen. Den Hintersinn der SPD halten die Liberalen aber für treffend. „Schwarz-Grün steht in der Verantwortung und muss die Fingerzeige nach Berlin endlich beenden. Die mit dem Orden ausgedrückte Kritik an der Landesregierung teilen wir also grundsätzlich“, so Hafke.
CDU geht zum Gegenangriff über: „Erinnert an Selbstverzwergung von Hannelore Kraft“
Die CDU sieht das naturgemäß anders. Gregor Golland, der auch mit einer Gruppe aus seinem Wahlkreis am „Närrischen Landtag“ teilnimmt, geht zum Gegenangriff über. „Die SPD-Opposition hat offenbar jeden Gestaltungswillen und Einfluss Richtung Chaos-Ampel in Berlin aufgegeben“, sagte der Politiker aus dem Rhein-Erft-Kreis. „Sie ist nur noch ein Schatten ihrer einstigen Größe und erinnert fatal an die Selbstverzwergung von Hannelore Kraft, nie, nie in die Bundespolitik zu gehen“, so der Innenexperte der CDU-Landtagsfraktion.
Kevin Gniosdorz ist der Vorsitzende der Jungen Union in NRW. Der Chef der CDU-Nachwuchsorganisation deutete die Botschaft des SPD-Ordens um. Dabei handele es sich um eine „ungewöhnlich gelungene, offene Kritik von Herrn Ott an der Ampel-Politik“ in Berlin. Tatsächlich spiele „dank der überzeugenden Arbeit“ von Hendrik Wüst bei konkreten Vorschlägen zur Lösung großer Fragen in NRW die Musik. Er hoffe, dass Bundeskanzler Olaf Scholz den Orden der SPD-Landtagsfraktion in NRW „auch lustig“ finde.
Christos Katzidis, innenpolitischer Sprecher der CDU-Landtagfraktion, erklärte, der SPD-Slogan treffe völlig zu: „Hier in NRW spielt die Musik.“ NRW werde nicht von einer Ampel regiert, die „nur auf Grün umschalte, wenn es ums Streiten“ gehe: Die SPD-Fraktion solle deshalb „schnell die Musik nach Berlin tragen“ und Kanzler Olaf Scholz „aus seinem Ampelschlaf wecken“, kontert der Politiker aus Bonn.Der Kölner CDU-Landtagsabgeordnete Florian Braun sieht das ähnlich: „Bei uns in NRW läuft's. Das kann man leider über die Bundespolitik in Berlin nicht behaupten.“ Die CDU-Fraktion habe seit Ewigkeiten einen eigenen Orden: „Wir heißen 2024 auch die SPD im Karneval willkommen.“