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Landesliste der NRW-CDUKohleaussstieg „prüfen“ – Merz punktet bei Delegierten mit Angriffen gegen Grüne

Lesezeit 5 Minuten
Hendrik Wüst (l, CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, sitzt bei der Landesvertreterversammlung der CDU  Nordrhein-Westfalen neben Friedrich Merz (CDU), der auf Platz 1 der Landesliste für die Bundestagswahl 2025 als Kanzlerkandidat gewählt wurde.

Hendrik Wüst (l, CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, sitzt bei der Landesvertreterversammlung der CDU Nordrhein-Westfalen neben Friedrich Merz (CDU), der auf Platz 1 der Landesliste für die Bundestagswahl 2025 als Kanzlerkandidat gewählt wurde.

Die NRW-CDU hat die Landesliste für die vorgezogene Bundestagswahl beschlossen. Kanzlerkandidat Friedrich Merz wurde auf Platz eins gewählt.

Der Beifall nach seiner Rede dauert fast vier Minuten an. Friedrich Merz ist schon auf seinen Platz in der ersten Reihe zurückgekehrt, als er auf seinen Stuhl steigt, um den Delegierten nochmals zu danken. Der Kanzlerkandidat der Union reckt die Daumen nach oben und lächelt. „So macht Wahlkampf Spaß“, freut sich Merz. Soeben hat er die Landesvertreterversammlung der NRW-CDU mit einer Grundsatzrede auf den Bundestagswahlkampf eingeschworen.

Bei der Arbeitssitzung in Essen wurde die Landesliste für die Bundestagswahl gewählt. Erwartungsgemäß wurde Merz von den 244 Delegierten auf Platz eins gewählt – der Chef der Bundes-CDU erhielt 99,6 Prozent. Der Auftritt des Sauerländers wurde mit Spannung erwartet. Merz nutzte die Gelegenheit zu einem politischen Rundumschlag gegen die Ampel-Parteien – und kündigte einen umfassenden Politikwechsel im Fall eines Wahlsiegs an. Der dürfte vor allem die Grünen aufhorchen lassen, die ein potenzieller Koalitionspartner sein könnten.

Einen Paradigmenwechsel soll es danach in einer von Merz geführten Bundesregierung in der Energiepolitik geben. „Ich sage Ihnen zu, dass wir in Deutschland aus keiner Energieerzeugungsquelle mehr aussteigen werden, bevor nicht der Ersatz am Netz ist“, rief Merz unter großem Beifall in den Saal. „Wir werden nicht mehr einseitig nur auf Wind und Sonne setzen, sondern sämtliche Ressourcen ausschöpfen, die es gibt“, so Merz.

Merz will Wiedereinstieg in Atomenergie prüfen

Es sei zu prüfen, ob auch bereits abgeschaltete Kraftwerke wieder Energie erzeugen könnten, sagte der 69-Jährige. Umwelt- und Klimaschutz seien von einer wettbewerbsfähigen Wirtschaft abhängig. „Anders als bei den Grünen steht für uns als allererstes Ziel fest, dass wir eine Volkswirtschaft mit Industrien sein wollen“, betonte Merz. Auch die Flächenpolitik müsse sich ändern: „Wir werden das Bauen in Deutschland radikal vereinfachen und innovatives Bauen zulassen, damit junge Familien eine Chance bekommen, Wohneigentum zu erwerben.“

Der SPD warf der Kanzlerkandidat vor, einen Angstwahlkampf führen zu wollen. „Die steht mit dem Rücken zur Wand“, sagte Merz. In solchen Situationen werde es dann „umso härter, aggressiver und persönlicher“. Er gehe davon aus, dass wir „einen der härtesten Wahlkämpfe vor uns haben in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland“. Schon jetzt würden Lügen und falsche Aussagen verbreitet. So werde es keine Rentenkürzungen geben und bei der Rente mit 67 bleiben.

Merz will Bürgergeld abschaffen

Auf harte Einschnitte müssen sich offenbar Bürgergeldempfänger einstellen. „Wir werden das sogenannte Bürgergeld abschaffen, das Wort wird aus dem politischen Sprachgebrauch der Politik in Deutschland verschwinden“, sagte Merz. Zwar werde es eine „vernünftige Grundsicherung“ weiterhin geben. „Aber denjenigen, die arbeiten können, werden wir jede Ermutigung und jede Ermunterung geben, auch in den Arbeitsmarkt zurückzukehren, mit anzupacken und die Ärmel aufzukrempeln“, erklärte Merz unter Beifall.

Mit Blick auf die angespannte weltpolitische Lage kündigte Merz an, mit ihm als Kanzler werde Deutschland in Europa wieder Führung übernehmen und gemeinsam mit den Partnern Initiativen zur Verschärfung des Asylrechts beschließen. Auch in der Verteidigungspolitik müsse Deutschland mehr Verantwortung übernehmen. Er bekomme viele Briefe von besorgten Eltern, die Angst hätten, Merz werde einem Bundeswehreinsatz in der Ukraine zustimmen. Diesen besorgten Eltern antworte er: „Wir wollen eure Kinder nicht in einen Krieg schicken, aber wir wollen verteidigungsfähig werden, damit wir uns nicht verteidigen müssen.“

Wüst ruft CDU-Delegierte zur Geschlossenheit auf

NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) hatte die Delegierten zu Beginn der Versammlung zur Geschlossenheit aufgerufen. Der Bundestagswahlkampf 2021 habe gezeigt, wohin es führe, wenn die Union über den Kandidaten streite. Der damalige Kanzlerkandidat Armin Laschet war gegen Olaf Scholz unterlegen, auch weil es an der vollen Unterstützung aus den eigenen Reihen gefehlt hatte. Die Erinnerung konnte auch als Appell verstanden werden, dem Vorschlag des Landesvorstands für die Landesliste zuzustimmen.

Die Platzierung auf der Landesliste ist für die Politiker wichtig, die bei der Bundestagswahl ihren Wahlkreis nicht direkt gewinnen. Nach bisherigen Prognosen dürfte die NRW-CDU aktuell nur im Wahlkreis Leverkusen von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach nicht vor der SPD liegen. Stand jetzt dürfte die Listenplatzierung also irrelevant sein.

Durch die Wahlrechtsreform müssen auch direkte gewählte Abgeordnete befürchten, den Einzug in den Bundestag zu verpassen. Weil das Parlament verkleinert werden soll, haben die Politiker das Nachsehen, die ihren Wahlkreis nur sehr knapp gewinnen. Diese Regelung könnte auch den Wiedereinzug der Kölner CDU-Politikerin Serap Güler in den Bundestag verhindern.

Jens Spahn verzichtet auf Listenplatz

Die Landesliste der CDU wird allerdings auch als Tabelle des politischen Gewichts in der Partei gedeutet. Ein Mitglied des Landesvorstands sagte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, es handele sich um einen „Beauty-Contest“. Auf Platz zwei wurde Vize-Landeschefin Lisa Winkelmeier-Becker gewählt, Ex-Bildungsministerin Anja Karliczek und Serap Güler belegen die Frauen-Plätze dahinter. Bei den Männern folgen Paul Ziemiak, Generalsekretär der NRW-CDU, Landesgruppenchef Günter Krings und Ex-Ministerpräsident Armin Laschet.

Nicht für einen Listenplatz bewarben sich der frühere Gesundheitsminister Jens Spahn und Außen-Experte Norbert Röttgen. Politiker, die sich sicher sind, ihren Wahlkreis zu gewinnen, verzichten bisweilen darauf, sich ins Rennen zu begeben, wenn ein nur mäßiger Platz ihrer Reputation in Berlin abträglich wäre.

Die nächste Bundestagswahl findet am 23. Februar statt. Merz erklärte, ihn treibe die Sorge an, der jüngeren Generation ein Land zu hinterlassen, in dem sie in Frieden, Wohlstand und sozialer Gerechtigkeit leben könne. „Ich bewerbe mich nicht, um in etwas höherem Alter noch irgendeine Karriere zu machen“, sagte der 69-Jährige.