In der Zülpicher Börde brüten Rohrweihen und Wiesenweihen. Das Komitee gegen den Vogelmord schützt Gelege und Jungvögel.
Seltene GreifvögelWeihen brüten in der Zülpicher Börde – Die Tiere werden geschützt
Das Getreide ist geerntet, das Feld bereits gegrubbert. Doch mitten auf der freien Fläche ist ein Quadrat abgesteckt, gesichert mit einem Zaun, wie ihn Schäfer benutzen. 20 mal 20 Meter, so groß ist das geschützte Zuhause, in dem vier junge Rohrweihen aufwachsen. Das Komitee gegen den Vogelmord kümmert sich um die Greifvögel, die den Sommer in der Zülpicher Börde verbringen. Axel Hirschfeld ist in diesen Wochen viel unterwegs auf den Feldwegen im Vorland der Eifel.
Er und seine Kollegen haben die meisten Brutplätze der Weihen – neben der Rohrweihe kommt hier auch die Wiesenweihe vor – ausfindig gemacht und eingezäunt. Um sie zu schützen vor den beiden größten Gefahren, die den Bodenbrütern drohen: dem Fuchs und dem Mähdrescher. Jetzt muss kontrolliert werden, ob die Batterien den Zaun noch ausreichend unter Strom setzen, und ob der Vogelnachwuchs vielleicht flügge geworden ist. Dann wird der Zaun abgebaut, der Landwirt kann den letzten Rest Getreide mähen und die Fläche bearbeiten.
Junge Weihen unternehmen in der Zülpicher Börde erste Flugversuche
Mitte April kommen die Rohrweihen aus dem Winterquartier zurück, Anfang Mai legen sie in der Regel ihre Eier. Die Wiesenweihe ist in beiden Punkten etwas später dran. Bei beiden Arten dürften die Jungvögel also mittlerweile flügge sein – es sei denn, das erste Gelege ist zerstört worden. Dann starten die Eltern einen zweiten Versuch. Vor so einer Nachbrut steht Axel Hirschfeld an diesem Morgen. Starkregen hatte das Getreide auf dem Feld niedergedrückt.
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Das ist Pech für den Landwirt, Glück für den Beobachter: So gut kann man die Jungtiere normalerweise nicht sehen. Die vier Geschwister sind deutlich unterschiedlich entwickelt. Das größte hat sich schon bis an den Zaun gewagt und wird bald die ersten Flugversuche unternehmen, das kleinste duckt sich selbst noch ins Getreide, wenn sich ein Mensch nähert.
Auf gute Zusammenarbeit mir den Landwirten angewiesen
Also ist noch kein Anruf beim Bauern fällig. „Wir sind auf die gute Zusammenarbeit mit den Landwirten angewiesen“, erklärt der Vogelschützer. Bei den allermeisten sei das auch gar kein Problem. Im Gegenteil – viele meldeten sogar von sich aus, wenn sie die Weihen im Feld beobachteten.
Von anderen Greifvögeln wie Bussard oder Rotmilan sind sie leicht zu unterscheiden. Wenn sie auf Beutesuche sind, ziehen sie in leicht schaukelndem Flug über die Felder, die Flügel zu einem „V“ hochgestellt. Um allerdings Rohr- und Wiesenweihe und dann auch noch Männchen und Weibchen zu unterscheiden, braucht es schon ein scharfes Auge und Erfahrung.
Im Frühjahr kann es sogar passieren, dass man gleich drei Weihenarten in der Zülpicher Börde beobachtet. Die Dritte im Bunde, die Kornweihe, hat hier nämlich ihr Winterquartier und zieht zum Brüten von hier aus in nördlichere Gefilde. Der Kreis Euskirchen entschädigt die Bauern, wenn bei ihnen Brutschutzzonen eingerichtet werden.
Laut Hirschfeld bekommen sie pauschal 400 Euro, dazu kommen noch einmal 100 Euro pro Jungvogel. Damit soll zum einen der Ernteverlust ausgeglichen werden, zum anderen der Mehraufwand, wenn später das verbliebene Quadrat ja noch bearbeitet werden muss.
Drohnen helfen beim Aufspüren der Gelege
Moderne Technik hat längst auch bei den Vogelschützern Einzug gehalten. Früher habe man die Gelege mit einer Kreuzpeilung ausfindig gemacht: Zwei Leute platzierten sich an unterschiedlichen Seiten eines Feldes, warteten, bis ein Altvogel mit Beute anflog, und wiesen dann dem dritten Helfer den Weg durchs Getreide. Heute lässt man eine Drohne aufsteigen, um die Brutstelle zu orten. Das geht allerdings nicht überall.
Ein Brutrevier der Weihen liegt ausgerechnet bei Nörvenich, dort dürfen wegen des Fliegerhorstes keine Drohnen eingesetzt werden. Gerade dort scheint sich die Wiesenweihe wohlzufühlen: Von den vier Brutpaaren, die die Vogelschützer dieses Jahr beobachten, leben zwei bei Nörvenich. Zwei Paare der Rohrweihe sind in der Nähe von Erftstadt-Friesheim heimisch geworden.
Axel Hirschfeld hat in der Ferne eine Weihe gesehen, die mit Beute in den Fängen in einem Feld gelandet ist. Er will nachschauen, ob dort eine Kinderstube ist, die er bisher nicht entdeckt hatte. Der Jäger, den wir unterwegs treffen, sieht die Bemühungen der Vogelschützer mit gemischten Gefühlen: „Allmählich sind es aber genug Greifvögel“, findet er. Er fürchtet, sie würden zu einer Gefahr für die Feldhasen. „Die Weihen ernähren sich fast ausschließlich von Mäusen“, beruhigt Hirschfeld ihn. Und in der Tat sind auf den umliegenden Feldern sogar außergewöhnlich viele Hasen zu sehen.
Geduld zählt zu den Tugenden, die ein Tierschützer mitbringen muss. An dem Acker, wo Hirschfeld den Altvogel gesehen hatte, heißt es warten: Wenn dort ein Brutplatz ist, wird der Vogel irgendwann mit der nächsten Maus anfliegen. Um sie entweder der brütenden Partnerin oder den jungen Vögeln zu bringen. Am Wegesrand ist ein Distelfalter auf der Suche nach Nektar in den violetten Blüten der Pflanze, der er seinen Namen verdankt. Das stachelige „Unkraut“ ist bei Menschen nicht gerade beliebt, aber für den hübschen Falter überlebenswichtig.
Auch Kiebitze und Grauammern brüten in der Zülpicher Börde
Der Biologe gerät ins Schwärmen: „Hier ist ein regelrechter Hotspot der Artenvielfalt.“ Dabei sieht die Landschaft zwischen Derkum und Straßfeld eher ausgeräumt aus, mehr Agrarsteppe als abwechslungsreiches Biotop. Doch tatsächlich brüten hier neben Rohr- und Wiesenweihen auch Kiebitze und Grauammern.
Geduld zahlt sich nicht immer aus. Auch nach mehr als einer halben Stunde hat sich keine Weihe blicken lassen, nicht mal aus der Ferne. „Dann ist da doch kein Brutplatz“, ist der Fachmann sicher. Vielleicht sei der Vogel in einer Fahrspur des Feldes gelandet, um dort in Ruhe zu frühstücken, ohne von Futterneidern wie Krähen oder Möwen gestört zu werden.
Der Biologe ist ein bisschen erleichtert. Hätte er dort Weihennachwuchs entdeckt, hätte er sich sofort auf die Suche machen müssen nach dem Landwirt, der das Feld bewirtschaftet. Denn die Ernte ist in vollem Gange, jederzeit könnte der Mähdrescher anrollen. Und dann sähe es schlecht aus für die kleinen Vögel. Wie viele Paare der geschützten Greifvögel tatsächlich in der Zülpicher Börde brüten, kann der Biologe nicht genau sagen. Etwa zehn bis 15 Rohrweihenpaare dürften es sein, schätzt er.
Die Rohrweihe – der Name lässt es schon vermuten – braucht Wasser in der Nähe. Eigentlich brütet sie im Schilf: „Da braucht sie unsere Hilfe nicht, und da würden wir die Gelege kaum finden, selbst wenn wir suchen würden“, sagt Axel Hirschfeld. Übrigens brüteten die Rohrweihen nicht nur in verlassenen Kiesgruben, sondern manchmal auch in solchen, in denen noch Abbau betrieben werde. Trotz der Bagger und der rangierenden Kieslaster.
Auch die Wiesenweihe hat ursprünglich Feuchtgebiete und Heidelandschaften bewohnt. Beide Arten sind stark zurückgegangen, weil der Mensch ihre Lebensräume zerstört hat. Die Wiesenweihe galt in Nordrhein-Westfalen bis 1990 als ausgestorben, das erste Brutpaar wurde dann bei Zülpich nachgewiesen.
Mitte der 80er-Jahre, so erzählt Axel Hirschfeld, sei auch das landesweit erste Paar der Kornweihe entdeckt worden: in einer Kiesgrube bei Straßfeld. Mittlerweile haben sich die Bestände erholt, aber der Vogelschützer macht sich keine Illusionen: „Die Arten hängen am Tropf.“ Ohne die Hilfe der Menschen – in diesem Fall des Komitees gegen den Vogelmord – könnten sie kaum überleben.
Verein kämpft gegen Vogelfang und Wilderei
Das Komitee gegen den Vogelmord (CABS) ist ein eingetragener Verein. Er wurde 1975 gegründet. Damals gingen Informationen und Fotos, vor allem aus Italien, durch die Presse, die belegten, dass dort Unmengen Zugvögel geschossen oder gefangen wurden. Auf manchen Märkten wurden gerupfte Rotkehlchen und Lerchen angeboten.
„Kein Urlaubsort wo Vogelmord“ war das einprägsame Motto der Kampagne, mit der das Komitee auf das Problem aufmerksam machte. 1978 änderte Italien sein Jagdgesetz. Das Komitee gegen den Vogelmord startete 1980 in Belgien Aktionen gegen den Vogelfang. In beiden Ländern kam es auch zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Vogeljägern und Aktivisten.
Der Wildvogelfang für Zucht und Handel wurde in den folgenden Jahren in Deutschland ein großes Thema. Nach der Wende ging es dann um die ungeregelte Gänsejagd in den neuen Bundesländern. Mittlerweile sind die Vogelschützer auch in Frankreich und Spanien, auf Malta, Zypern und im Libanon aktiv. Während der Zeit, in der die Vögel in ihre Winter- oder Sommerquartiere ziehen, gibt es auf den Routen Vogelschutzcamps der Aktivisten.