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HolocaustDrei neue Stolpersteine erinnern in Waldbröl an die letzte jüdische Familie

Lesezeit 3 Minuten
Sie haben in Waldbröl die neuen Stolpersteine ins Pflaster gebracht (von links): Frank Bohlscheid von der Oberbergischen Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, Bürgermeisterin Larissa Weber und Pfarrer Thomas Seibel als Vertreter für die Ökumene.

Sie haben in Waldbröl die neuen Stolpersteine ins Pflaster gebracht (von links): Frank Bohlscheid von der Oberbergischen Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, Bürgermeisterin Larissa Weber und Pfarrer Thomas Seibel als Vertreter für die Ökumene.

Die Mahnmale sind ins Pflaster an der Kaiserstraße eingelassen. Sie tragen die Namen von Meta und Hermann Bettelheiser sowie von Fritz Meyer.

Ein paar dumpfe Schläge mit dem Pflasterhammer, dann bereits haben Waldbröls Bürgermeisterin Larissa Weber, Pfarrer Thomas Seibel und Frank Bohlscheid, Vorstand der Oberbergischen Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, drei neue Stolpersteine an ihren Platz im Grau des Gehwegs an der Kaiserstraße gebracht. Und wenig später sorgt Bauhof-Mitarbeiter Andreas Braun am Dienstagmorgen dafür, dass diese kleinen Mahnmale fortan ein unverwüstlicher Teil von Waldbröls Stadtbild sind – und auch bleiben. Vor dem Geschäftshaus mit der Nummer 33 erinnern sie heute an das Schicksal des Ehepaares Meta und Hermann Bettelheiser sowie an Meta Bettelheisers Neffen Fritz Meyer.

Während der 1905 geborene Meyer 1939 aus dem KZ Dachau nach England fliehen konnte, wurden die Geschäftsleute Meta, geboren 1885, und Hermann Bettelheiser, Jahrgang 1877, im Mai des Jahres 1942 von den Nazis ermordet. „Sie waren Waldbröls letzte jüdische Familie“, sagt Bürgermeisterin Weber. „Sie haben alles verloren – ihre Heimat, ihre Freiheit, ihre Würde, ihr Leben.“

Der Flucht von Waldbröl nach Köln folgten die Deportation und der gewaltsame Tod

Mit den Stolpersteinen aus der Werkstatt des Künstlers Gunter Demnig würden diese Menschen wieder sichtbar in der Erinnerungskultur der Stadt, zu deren Gemeinschaft sie einst gehörten – bis am Morgen des 10. November 1938 Nazi-Schergen ihren Laden für Kopfbedeckungen an der Kaiserstraße zerstörten und Hermann Bettelheiser auf offener Straße misshandelten.

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Trotz der Aussage eines Augenzeugen und einer Anzeige bei der Polizei kommen die Täter ungeschoren davon. Der Flucht der Bettelheisers nach Köln folgte die Deportation nach Lodz und nach Chelmno – dort kamen sie zu Tode. „Für Antisemitismus und jeglichen Hass ist in unserer Stadt kein Platz“, sagt Weber und ruft zu einem friedvollen, respektvollen Zusammenleben auf.

Diese Postkarte schrieb das Ehepaar Meta und Hermann Bettelheiser aus Waldbröl im Dezember 1941 aus dem Ghetto in Litzmannstadt (Lodz) an Nichte Hanni Fröhling in Köln. Es ist das wohl letzte Lebenszeichen.

Diese Postkarte schrieb das Ehepaar Meta und Hermann Bettelheiser aus Waldbröl im Dezember 1941 aus dem Ghetto in Litzmannstadt (Lodz) an Nichte Hanni Fröhling in Köln. Es ist das wohl letzte Lebenszeichen.

In einem Dialog beschreiben Ranya und Alisa von der städtischen Gesamtschule die Geschichte dieser Menschen und erklären im Gespräch, wofür Stolpersteine stehen. Die beiden gehören zu einer Gruppe von Jugendlichen von allen drei weiterführenden Schulen in der Marktstadt, die mit Lyrischem, mit Musik und eigenen Gedanken die Verlegung der Stolpersteine begleiten.

Waldbröls Stadtpolitik hatte sich einstimmig für die neuen Stolpersteine ausgesprochen

Dafür hatte sich Waldbröls Politik einstimmig ausgesprochen, nachdem Rathaus-Mitarbeiter Christoph Thiel und zudem Frederik Grundmeier, Wissenschaftler in Diensten des Lindlarer LVR-Freilichtmuseums, die Schicksale dieser Menschen aufgearbeitet hatten. Diese waren zuvor bereits Teil des preisgekrönten Projekts „Von Mäusen und Katzen – Antisemitismus in und um Waldbröl“ an der städtischen Gesamtschule. Zudem bekunden die Fraktionen im Stadtrat, die Kosten dafür zu übernehmen. Am Ende aber zahlt die Stadt dafür.

„Im alltäglichen Trott lassen uns solche Steine stolpern und bringen uns ins Nachdenken“, sagt Bohlscheid, zudem Direktor des Hollenberg-Gymnasiums. Wie Weber und Pfarrer Seibel als Sprecher für die Ökumene in Waldbröl möchte er die neuen Stolpersteine als Ermahnung und durchaus unangenehme Erinnerung zu Aufmerksamkeit verstanden wissen, sodass Respekt, Freiheit und die Menschenwürde nicht der Raub von Ideologien werden. Man dürfe sich keinesfalls sicher wähnen, dass das einst Geschehene sich nicht wiederholen könne, „das ist eine Illusion“. Es gelte, so ergänzt Seibel, die Wiederholung von Geschehenem zu verhindern und den „Treibjagden auf Minderheiten“ etwas entgegenzusetzen.

Und mit dem fröhlichen „Shalom aleichem“, gesungen von vielen, geht die Zeremonie schließlich zu Ende. Der Schöpfer der Stolpersteine, Gunter Demnig, ist indes nicht anwesend: Da er im Mai 2018 bereits an der Hochstraße und an der Querstraße solche Messingsteine verlegt hat, kommt er nicht erneut in die Marktstadt. Wahrscheinlich, überlegt Rathauschefin Larissa Weber, „werden diese drei Stolpersteine die letzten in Waldbröl sein“.