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RückblickKarnevalseklat, Kaufhof-Aus – Diese Themen haben Menschen in Rhein-Sieg 2024 bewegt

Lesezeit 6 Minuten
Demo gegen Rechts in Eitorf

Tausende gingen im Rhein-Sieg-Kreis gegen Rechtsextremismus auf die Straße. (Archivbild)

Zahlreiche Themen haben die Menschen im Rhein-Sieg-Kreis 2024 bewegt. Wir haben für unseren Jahresrückblick drei ausgewählt.

Ein bewegtes Jahr biegt in diesen Tagen auf die Zielgerade ein. Auch im Rhein-Sieg-Kreis gab es 2024 viele Themen, die die Menschen ganz besonders bewegt haben. Die Redaktion hat drei ausgewählt und wirft einen Blick zurück.

Tausende gehen gegen Rechtsextremismus auf die Straße

Die Veröffentlichungen des Recherche-Netzwerks „Correctiv“ lösten im Januar ein politisches Beben aus. Die „Remigrationspläne“, über die Mitglieder der AfD mit Mäzenen und Vertretern rechtsextremer Gruppen in Potsdam in einer Geheimkonferenz berieten, riefen böse Erinnerungen wach. Zu Hunderttausenden sollten Menschen abgeschoben werden, so erfuhr eine aufgebrachte Öffentlichkeit. Wie überall im Land gab es auch im Rhein-Sieg-Kreis zahlreiche Gegenveranstaltungen.

Es waren fast überall die größten Demonstrationen, die die Kommunen in den vergangenen Jahrzehnten erlebt hatten. Allein in Eitorf kamen rund 3000 Menschen. Hier trafen AfD-Anhänger und -Gegner aufeinander. Denn die extrem rechte Partei hatte zu einem „Bürgerdialog“ ins Bürgerzentrum eingeladen. Am nahe gelegenen Bahnhof trafen sich die Teilnehmer einer Versammlung, die zu einer Kundgebung auf den Marktplatz zogen. Doch es reisten weit mehr als die von Polizei und Veranstalter erwarteten 500 Menschen an.

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Demo gegen Rechts in Eitorf

Tausende gingen trotz strömenden Regens in Eitorf auf die Straße. (Archivbild)

Eine mehrere Hundert Personen starke Gruppe bog auf den Parkplatz vor dem Bürgerhaus ab, wo eine Polizeikette sie daran hinderte, ins Gebäude zu gelangen. Der AfD-Bundestagsabgeordnete Roger Beckamp aus Windeck machte den von vornherein aussichtslosen und deshalb wohl eher als Provokation zu verstehenden Versuch, mit den Gegendemonstranten über ein Megafon ins Gespräch zu kommen. Die Einsatzkräfte schützten derweil den Politiker vor möglichen Übergriffen. Doch Zwischenfälle blieben aus.

Im Saal des Bürgerhauses stellten Bundes- und Landtagsabgeordnete ihre Arbeit vor, begleitet von den indes kaum hörbaren Pfiffen von draußen. Sie blieben angesichts eines großen Presseaufgebots in ihren Äußerungen zahm. Am Rande der Vorträge bezeichnete die Kandidatin der AfD für die damals bevorstehende Europawahl, Irmhild Boßdorf, das Potsdamer Geheimtreffen aber „Wannseekonferenz 2.0“. Ähnlich viele Teilnehmer gab es bei Gegendemonstrationen in Hennef und Siegburg. Die SPD-Bürgermeister beider Städte hielten in ihrer Deutlichkeit bemerkenswerte Reden.

Auch in Lohmar und Sankt Augustin beteiligten sich rund 3000 Menschen, in Niederkassel waren es 1200. In Troisdorf sagte Bürgermeister Alexander Biber (CDU) dagegen mit Verweis auf die Unterstützung der Veranstaltung durch die Linken seine Teilnahme ab, gleichwohl zogen etwa 3000 Teilnehmer durch die Stadt.

Eklat um Äußerungen auf der Karnevalsbühne in Sankt Augustin

Der Eklat bei einer Karnevalssitzung in Sankt Augustin löste bundesweit Bestürzung aus und rückte das Thema Kinder- und Jugendschutz im Karneval in den Fokus. Der Moderator und Präsident der Prinzengarde hatte bei einer Sitzung im Januar gegenüber einem Mädchen im Grundschulalter anzügliche Bemerkungen gemacht.

„Endlich kann ich mit dir knutschen, ohne dass deine Mama mit mir schimpft“, hatte der ehemalige Präsident ins Mikrofon gesagt. Diese und andere Aussagen waren auf Videoaufnahmen festgehalten worden – die Redaktion machte den Fall öffentlich. Eine Rechtsanwältin stellte Strafanzeige. Die Sankt Augustiner Prinzengarde trennte sich nach Bekanntwerden des Falls von ihrem Präsidenten und distanzierte sich von dessen Aussagen.

Eine Karnevalsgesellschaft aus Königswinter reagierte noch auf der Sitzung und verließ den Saal. Tanzgruppen der Großen Königswinterer Karnevalsgesellschaft (GKKG) hätten eigentlich auftreten sollen – „das konnten wir so aber nicht stehen lassen“, sagte der Vorsitzende Guido Hoffmann. Er habe Kinder im Alter von sechs bis 18 Jahren dabei gehabt. „Nach diesen Äußerungen konnte ich mit denen nicht auf die Bühne gehen.“

Gegenüber der Redaktion zeigte der Präsident der Prinzengarde zunächst wenig Einsicht. „Wir sind immer noch im Karneval“, sagte er nach Bekanntwerden des Vorfalls. Wenn ein Mensch den rheinischen Humor anders auffasse, „tut mir das leid für ihn“. Später entschuldigte er sich öffentlich. Kinderschützer bewerteten seine Aussagen als Form der sexualisierten Gewalt.

Die Äußerungen seien eine „massive, verbale sexuelle Belästigung“, sagte Ursula Enders, Vorsitzende der Kölner Kontakt- und Beratungsstelle Zartbitter. Für Sibylle Friedhofen, Vorsitzende des Ortsverbands Sankt Augustin des Deutschen Kinderschutzbundes, fallen die Äußerungen unter psychische Gewalt. „Ich kann es nicht nachvollziehen, dass niemand aufgestanden ist und ihm das Mikrofon abgenommen hat“, sagte sie der Redaktion.

Ein rechtliches Nachspiel hatte der Vorfall nicht. Die Staatsanwaltschaft Bonn stellte das Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs von Kindern ohne Körperkontakt gegen den ehemaligen Präsidenten ein. Die Äußerungen seien zwar „grob geschmacklos“, erfüllten den Straftatbestand aber nicht, sagte Staatsanwalt Sebastian Buß. Man könne die Äußerungen auch unter den Tatbestand der Beleidigung fassen. „Den hierfür erforderlichen Strafantrag haben die Eltern allerdings nicht gestellt.“

Kaufhof-Aus in der Siegburger City ist endgültig besiegelt

Alles Hoffen und Bangen hatte ein Ende, als am 13. Januar endgültig der Kaufhof an der Kaiserstraße schloss. Ein harter Schlag vor allem für die Belegschaft, die teils seit vielen Jahrzehnten in dem Warenhaus gearbeitet hatte. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mussten erleben, wie ihr Konzern in den letzten Wochen noch wild zusammengemischte Sonderangebote aus anderen Filialen verramschte, von der Qualität her teils weit unter dem Niveau, das man gewohnt war.

Immerhin konnte das Parkhaus schnell weitergenutzt werden, in Regie der Stadtbetriebe. Im November eröffnete im Erdgeschoss ein Tedi-Markt, vor allem mit einer Fülle an Deko- und Bastelartikeln, vieles davon Ein-Euro-Preise. Kurz zuvor hatte sich auf der früheren Saturnetage bestätigt, dass, wo Schatten ist, auch Licht sein muss.

Die Kaufhof-Belegschaft verabschiedet sich von den Siegburgern, die Filiale wrid am 13. Januar geschlossen

Die Kaufhof-Belegschaft verabschiedete sich kurz vor der Schließung von den Siegburgern. (Archivbild)

Die Siegburger Studiobühne baute in kürzester Zeit ein Theater ein und präsentierte einen kompletten Spielplan mit sensationellem Auftakt: „Kaufhof-Monopoly – eine Anleitung Wie werde ich Milliardär“, ein bitterböses Einpersonenstück, in dem Christoph Wolff René Benko zwischen Größenwahn und Selbstmitleid spielt. Die erfinderischen Theaterleute brachten es bundesweit in die Schlagzeilen. War anfangs lediglich Rede davon, dass aus baurechtlichen Gründen nur eine Nutzung bis zum Juli 2025 infrage komme, zeichnet sich jetzt eine längere Lösung ab: Bürgermeister Stefan Rosemann macht das vom Willen des Eigentümers abhängig und vom politischen Willen in der Stadt.

Eine verlässliche Perspektive für den Kaufhof gibt es indes nicht. Mit 100.000 Euro Landesmitteln konnte die Stadt eine Machbarkeitsstudie finanzieren, die zu ernüchternden Ergebnissen kommt. Bestenfalls das Erdgeschoss könne wirtschaftlich noch für Einzelhandel genutzt werden, hinzukommen könnten Pflege/Wohnen, ein Fitnessstudio und Büros. Dazu aber müsste der Betonklotz umgebaut und vor allem ein Lichthof hineingeschnitten werden.

Als Kosten nannte die Studie 33 Millionen Euro, auf die für einen Investor von außerhalb noch der Grundstückspreis von etwa 30 Millionen Euro hinzukäme. Fazit: Siegburg solle sich auf einen Zeitraum von acht bis zehn Jahren mit Zwischenlösungen gefasst machen. So lange könne es dauern, bis der Eigentümer, der Apollo-Fonds, einen niedrigeren Preis aufrufe. Der Umgang mit den New Yorkern scheint schwierig zu sein: Man komme an sie nicht heran, sagte Bürgermeister Stefan Rosemann bei einem Bürgerdialog der SPD zum Thema.