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Durch Corona und die FlutDie Staus rund um Köln nehmen kein Ende

Lesezeit 5 Minuten

Stau auf der Autobahn. (Symbolbild)

Düsseldorf/Köln – Mittwoch, 16.30 Uhr, Kölner Autobahnring. Stillstand. Aus und in alle Richtungen. Auf der A 3 aus Richtung Köln stockt es fünf Kilometer vor dem Dreieck Heumar, auf der A 4 sieben Kilometer zwischen Frechen-Nord und dem Kreuz Köln-Süd, auf der A 555 sechs Kilometer zwischen Wesseling und dem Kreuz Köln-Süd. Richtung Aachen sind es auf der A 4 mehr als zehn Kilometer zwischen dem Dreieck Heumar und Köln-Klettenberg.

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Stockender Verkehr auch auf der A 553 und der A 559. Zur gleichen Zeit debattieren die Politiker im Düsseldorfer Landtag im Verkehrsausschuss über die „Auswirkungen der Unwetterkatastrophe vom 14./15. Juli im Bereich der Verkehrsinfrastruktur“ und sind sich einig: Es ist katastrophal.

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NRW-Verkehrsminister Hendrik Wüst (CDU)

NRW-Verkehrsminister Hendrik Wüst (CDU) berichtete – immer noch einigermaßen fassungslos – von seinen Besuchen in den Flutgebieten, wo die Zerstörung eine vollkommene war. Dennoch habe man „sehr, sehr schnell reagiert, damit die Infrastruktur wieder hergestellt wird“, sagte Wüst, „der Wiederaufbau ist in vollem Gange.“

Alles zum Thema Hendrik Wüst

Hier die vier wichtigsten Ursachen für den aktuellen Verkehrskollaps:

1. Die Flutschäden auf den Autobahnen 1 und 61

Thomas Ganz, Rheinland-Chef der Autobahn GmbH, kann sechs Wochen nach der Flutkatastrophe in der Eifel und an der Ahr zumindest leichte Entwarnung geben. Die Autobahnen 1 und 61, die es im Großraum Erftstadt besonders hart getroffen hat, sollen zum Jahresende wieder befahrbar sein.

„Die Untersuchungen sind bis auf ein paar Sondierungen abgeschlossen, die Schäden bekannt, die Aufträge raus. Wir werden nicht überall gleich den alten Zustand wiederherstellen können, aber beide Strecken sollen am Jahresende wieder durchgängig geöffnet sein.“

Immer noch ist die A 1 zwischen Hürth und dem Autobahndreieck Erfttal gesperrt. In Richtung Dortmund sind zwischen Köln-Lövenich und Bocklemünd nur zwei Fahrstreifen frei. Auch die A 61 kann zwischen dem Autobahnkreuz Kerpen und Rheinbach in Richtung Koblenz nicht genutzt werden. In Richtung Venlo ist sie zwischen dem Kreuz Meckenheim und Swisttal-Heimerzheim sowie zwischen dem Kreuz Bliesheim und Türnich dicht.

Mit fatalen Folgen für das gesamte Rheinland: Auf den Ausweichrouten über die A 3, A 4, A 555 und A 565 bricht der Verkehr regelmäßig zusammen, in der Folge sind auch die innerörtlichen Ausweich- und Schleichwege verlässlich verstopft. In seinem Bericht weist Minister Wüst für die Straßen im Kreis Euskirchen immer noch zehn Voll- und fünf Halbsperrungen aus; im Rhein-Sieg-Kreis sind nach wie vor drei Strecken vollständig gesperrt, im Rhein-Erft-Kreis sind es zwei.

Lkw Autobahn

Lkw auf der Autobahn

Die Kosten zur Beseitigung aller Schäden alleine auf den Autobahnen schätzt Thomas Ganz auf 100 Millionen Euro. „Da können sich aufgrund der komplexen Lage aber noch Änderungen ergeben.“ Der ADAC hat bereits vor drei Wochen vor dem Kollaps auf den Autobahnen nach den Sommerferien gewarnt. Der September 2020 sei schon ohne diese Einschränkungen der staureichste Monat des Jahres gewesen. ADAC-Verkehrsexperte Roman Suthold: „Ich sehe auf der Straße derzeit keine Ausweichmöglichkeiten mehr. Da müssen wir jetzt durch.“ Sein Appell an die Arbeitgeber: Bis Jahresende sollten die Menschen zumindest teilweise im Homeoffice arbeiten. „Das senkt den Berufsverkehr um 20 bis 40 Prozent.“

2. Die Flutschäden an den Bahnstrecken

Teile der Infrastruktur im Gebiet des Nahverkehr Rheinland (NVR), das ist der Zusammenschluss des Verkehrsverbunds Rhein-Sieg (VRS) und des Aachener Verkehrsverbunds (AVV), sind noch stark beschädigt. Die vielen Schäden an Gleisen, Weichen, Signaltechnik, Stellwerken, Brücken und Bahnhöfen sorgen dafür, dass der Betrieb noch nicht überall aufgenommen werden konnte. Einige Strecken sind zwar wieder am Netz und die S-Bahnlinie 23 wird den Betrieb auf dem Abschnitt zwischen Bonn und Rheinbach zum 30. August wieder aufnehmen. Ab 6. September sollen die Züge auf der Eifelstrecke zwischen Köln und Euskirchen wieder fahren. Die Arbeiten an der Eifelstrecke zwischen Euskirchen und Ehrang (RE 22, RB 22, RB 24), auf der Erfttalbahn (RB 23), rund um Stolberg und Langerwehe (RB 20) und an der Ahr (RB 30, RB 39) werden deutlich länger dauern.

Zug der Deutschen Bahn

Ein Zug am Kölner Hauptbahnhof

Auf einigen dieser Strecken fahren Busse als Ersatz für die Züge, die jedoch deutlich länger unterwegs sind. Die Folge: Zahlreiche Pendler, die Richtung Köln oder Bonn müssen, weichen auf das Auto aus. Das belastet die Autobahnen zusätzlich. Die Verkehrspolitiker in der Verbandsversammlung des NVR haben am Mittwoch in einer Resolution an die Bundes- und Landesregierung eine klare Forderung formuliert. Die zerstörten Bahnstrecken sollen nicht bloß wieder aufgebaut, sondern gleich zweigleisig erweitert und elektrifiziert werden. „Wenn wir die Strecken jetzt provisorisch wieder herrichten, dürfen das keine verlorenen Kosten sein. Wir müssen die Zukunft gleich mitplanen“, sagt NVR-Geschäftsführer Norbert Reinkober. Der Fonds Aufbauhilfe 2021 soll mitsamt seiner gesetzlichen Grundlagen noch vor der Bundestagswahl beraten und verabschiedet werden.

Minister Wüst erklärte dazu im Ausschuss: „Der Wiederaufbau bei der Bahn soll nach Stand der Technik erfolgen“ – mit erleichterten und optimierten Verfahrenswegen für Elektrifizierung und Streckenbau gleichermaßen.

3. Der Fahrgastschwund im ÖPNV durch die Corona-Pandemie

Die Folgen der Corona-Pandemie haben beim Nahverkehr Rheinland zu einem deutlichen Rückgang an Fahrgästen geführt. Die Regionalzüge sind im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit derzeit nur zwischen 60 und 65 Prozent ausgelastet, Tendenz allerdings steigend.

Nach einer Studie des Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) von Ende Juni will ein Viertel aller Arbeitnehmer künftig an mehreren Tagen der Woche von zuhause arbeiten. Mehr als ein Drittel der Menschen, die früher mit Bahn und Bus zur Arbeit gefahren sind, werden das künftig seltener tun, zwölf Prozent wollen ganz darauf verzichten. Das ist das Ergebnis der vierten Erhebung im Rahmen einer repräsentativen Panel-Studie des Instituts für Verkehrsforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Im Corona-Jahr 2020 hatte der Verkehrsverbund Rhein-Sieg (VRS) 13 Prozent seiner Fahrgäste verloren, der Umsatz sank um 19 Prozent auf 562 Millionen Euro.

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4. Die Verunsicherung der Kunden durch den Streik der Lokführer

Der Tarifkonflikt zwischen der Deutschen Bahn und der Lokführergewerkschaft (GDL) verschärft die Lage auf den Autobahnen zusätzlich. Nach Angaben des NVR sind am Montag und Dienstag wegen des Streiks und der Zugausfälle durch die Folgen des Hochwassers nur etwa 50 Prozent der Regionalzüge gefahren. Und der Streik ist noch nicht vorbei. Die GDL droht für die nächste Zeit mit weiteren Arbeitskämpfen.