Köln – Der 1. FC Köln hat am Montag beim Oberverwaltungsgericht Münster einen Antrag auf Erlass einer Einstweiligen Anordnung gestellt, um am Samstag gegen den SC Freiburg mehr als die derzeit in NRW erlaubten 750 Zuschauer im Rhein-Energie-Stadion begrüßen zu dürfen.
Warum die Eile?
Der FC kann einen vorläufigen Schutz seiner Rechte anstreben, wenn der zeitliche Ablauf vermuten lässt, dass dem Klub durch rechtswidriges Handeln ein Schaden entstehen könnte. Der Einnahmeverlust bei einem Heimspiel vor 750 Zuschauern liegt für den FC bei rund 1,7 Millionen Euro – Geld, das für den Verein verloren ist, denn es ist nicht möglich, die Einnahmen nachzuholen. Der Schaden wäre also am Samstag unumkehrbar entstanden, daher hat der FC allen Grund, den Vorgang zu beschleunigen – zumal ja auch noch Vorbereitungen zu treffen wären.
Welches Ziel verfolgt die Landesregierung mit der Beschränkung?
Das ist eine Frage, die am Anfang der juristischen Prüfung stehen wird – und die schwierig zu beantworten ist. Ministerpräsident Hendrik Wüst erklärte nach dem Spiel der Kölner vor ausverkauftem Haus gegen Borussia Mönchengladbach (4:1): „Solche Bilder wie in Köln darf es nicht wieder geben.“ Allerdings hatten die Bundesligaspiele bislang keinen messbaren Einfluss auf das Infektionsgeschehen im Land – und allein zur Vermeidung von „Bildern“ ist es dem 1. FC Köln nicht zuzumuten, alle zwei Wochen auf 1,7 Millionen Euro Einnahmen zu verzichten. Grundsätzlich steht derzeit in Frage, ob das Gesundheitssystem angesichts der milderen Verläufe der Omikron-Variante sowie dem Umstand, dass nur Geimpfte und zusätzlich Geboosterte beziehungsweise Getestete ins Stadion dürfen, durch die Bundesliga überhaupt in Gefahr ist. Es ist eben keine staatliche Aufgabe, Gesundheitsgefährdungen grundsätzlich zu vermeiden – dann müsste für Fahrradfahrer auf dem Weg zum Spiel eine Helmpflicht gelten, gleichzeitig müsste Alkohol auf den Rängen verboten sein. Und Zucker natürlich erst recht.
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Sollte das Gericht die Bedrohung bejahen – wäre es dann schon vorbei mit dem Kölner Vorstoß?
Nein. Die Verordnung, nach der nur 750 Zuschauer ins Stadion dürfen, müsste zudem geeignet sein, diese Bedrohung einzudämmen. Die reine Veranstaltung im Stadion müsste demnach einen merklichen Anteil am Pandemiegeschehen haben – und das Land müsste beweisen, dass die Infektionslage in NRW positiver ausfällt, wenn nur 750 Zuschauer nach Müngersdorf kommen. Es müsste bewiesen sein, dass sich mehr Menschen beim Fußball anstecken als in anderen Lebensbereichen.
Der 1. FC Köln hat zuletzt mehrfach öffentlich die Zahl 750 in Frage gestellt.
Fraglich ist, ob es nicht ein milderes Mittel gibt. Ausgangspunkt ist immer ein voll besetztes Stadion ohne jede Einschränkung. Das Gericht wird daher auch zu prüfen haben, ob nicht womöglich statt 50 000 Zuschauern ohne Hygienekonzept auch 50 000 Zuschauer mit Hygienekonzept möglich wären. Oder 25 000 oder 12 500. Die Zahl von 750 war zuletzt damit erklärt worden, dass man eine „Vereinheitlichung“ der Zuschauerzahlen für Veranstaltungen in NRW erreichen wolle. Allerdings ist „Vereinheitlichung“ kein Wert.
Sollte das Gericht zu der Ansicht kommen, dass die Zahl von 750 Fans weder angemessen noch verhältnismäßig ist – könnte es eine neue Zahl verfügen?
Das Gericht kann der Politik eine Empfehlung aussprechen, schließlich wollen die Richter nicht die eine Entscheidung kippen, um eine Woche später über die nächste verhandeln zu müssen.
Was wäre die Folge, sollte der 1. FC Köln Recht bekommen?
Dann wäre dieser Teil der Schutzverordnung rechtswidrig, was dazu führte, dass die Beschränkung auf 750 Zuschauer bei Veranstaltungen in NRW kippte. Bislang ist die Auslastung oberhalb einer absoluten Zahl von 250 Personen auf 50 Prozent der Gesamtkapazität begrenzt – gedeckelt eben auf 750 Zuschauer. Denkbar wäre, dass die Richter also 50 Prozent Auslastung genehmigten – es sei denn, die Landesregierung hat für den Fall, dass die aktuelle Regelung ungültig wird, bereits einen alternativen Vorschlag erarbeitet. Was sie getan haben sollte.
Was hieße das für die Politik?
Für die Landesregierung bedeutete es womöglich auch, dass man gesichtswahrend aus der eigenen Maßnahme käme. Während Markus Söder in Bayern bereits seine Bedenken über den Haufen warf und die Stadien wieder öffnete, tut sich die Koalition in NRW schwerer. Die Politik könnte ihr Handeln mit dem Zwang einer richterlichen Entscheidung erklären.
Was sagt der FC?
In einem von Vorstand und Geschäftsführung unterschriebenen Statement hieß es am Montag: „Wir haben bis zuletzt eine faire und nachvollziehbare Auslastung unserer Heimspiele im Konsens mit der Politik angestrebt, immer vor dem Hintergrund unserer Anstrengungen zur Eindämmung der Pandemie. Wir sind uns auch unserer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst, aber das heißt in diesem Fall, aufmerksam zu machen, wenn Maßnahmen nicht mehr nachvollziehbar und ohne Effekt erscheinen und gleichzeitig die Überlebensfähigkeit vieler Veranstalter in Kultur und Sport gefährden.“