Nach einem zwei Tore-Rückstand erkämpfte sich die Elf von Xabi Alonso noch ein Unentschieden im Europa-League-Achtelfinale in Baku.
Desolate erste Halbzeit in BakuBayer-Trainer Xabi Alonso räumt Fehler ein
Baku ist nicht unbedingt bekannt für fußballerischen Erfolg, sondern eher für moderne Architektur und Baklava. Doch das Tofiq-Bahramow-Stadion mit großer Tartanbahn versprühte bei einem regnerischen Europa-League Abend einen gewissen Charme, den man mittlerweile selten im Profifußball findet. Vor 31.200 Zuschauern erlebte die Werkself eine harte Bewährungsprobe, wobei den Leverkusenern besonders in der ersten Halbzeit jegliche Spielkontrolle und Dominanz abhandenkam.
Rotationprinzip geht nicht auf
Trainer Xabi Alonso rotierte gleich auf acht Positionen. Ein Fehler, wie der Spanier selbst nach Spielende auf der Pressekonferenz zugab: „Man kann schon sagen, dass das ein Fehler war. Aber wir sind in drei Wettbewerben, immer die gleiche Aufstellung ist nicht möglich. Ich brauche den ganzen Kader.“
Bayer 04 ließ zumindest in der ersten Hälfte des K.o.-Spiels alle Eigenschaften vermissen, die eine Topmannschaft definiert: Ballsicherheit, Ruhe und Herausspielen von Torchancen. Dadurch, dass Mittelfeld-Lenker Granit Xhaka und Kreativ-Kopf Florian Wirtz sich vorerst mit einem Bankplatz begnügen mussten, fehlte eine klare Struktur im Spielaufbau.
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Xhaka-Vertreter Exequiel Palacios erwischte einen schwachen Start, positionierte sich häufig falsch im Mittelfeld und war ungenau bei der Ballverteilung an seine Mitspieler, beispielsweise beim ersten Tor. Durch einen schlecht getimten Pass Richtung Jonathan Tah, der den Ball nicht rechtzeitig unter Kontrolle bekam, schnappte sich Karabach-Angreifer Juninho den Ball und enteilte der sämtlichen Restverteidigung. Nach einem Querpass auf Yassine Benzia traf dieser unhaltbar ins Tor.
Auch beim zweiten Tor verschätzte sich der deutsche Nationalspieler, machte einen Schritt entgegen der Laufrichtung von Juninho, der ihm erneut enteilte und den zweiten Gegentreffer erzielte. Zur schwachen Defensive gesellte sich zudem eine kaum stattfindende Offensive. Weder Borja Iglesias und Adam Hlozek noch Amine Adli kamen in aussichtsreiche Abschlusspositionen. Keeper Matej Kovar, der bislang immer im DFB-Pokal sowie in der Europa-League spielte, bewahrte seine Mannschaft vor einem noch höheren Rückstand.
Dementsprechend kritisierte Alonso auch den Auftritt in der ersten Hälfte und nahm die Schuld auf sich: „Wir waren nicht im richtigen Raum. Wir kontrollierten nicht die kurzen Pässe, hatten viele Fehler und kamen nicht ins letzte Drittel. Es war mein Fehler. Wir versuchen, das zu verbessern.“ Noch deutlichere Selbstkritik äußerte der Spanier im Nachhinein: „Manchmal ist es nicht möglich, immer super zu spielen. Nur weil wir viele Spiele gewinnen, denken wir nicht, alles ist gut. Wir müssen kritisch hinterfragen, warum wir einige Dinge nicht gut genug gemacht haben.“
Die vielen Veränderungen in der Startelf wirkten sich sichtlich auf den Spielfluss aus - Abstimmungsprobleme zwischen Offensive und Defensive offenbarten sich. Die Rotationsrochade, die der Baske häufig in den vergangenen Spielen in den Cupwettbewerben zeigte, ging nach vielen erfolgreichen Partien fast schief. Aber eben nur fast.
Schick trifft das erste Mal in 2024
„In der Halbzeit war es kein einfacher Moment. Wir wussten, dass wir es besser machen müssen. Es war ein K.O-Spiel. Ein 3:0/4:0 wäre hart gewesen. Wir mussten kämpfen,“ resümierte Alonso die erste schwache Halbzeit. In der zweiten Hälfte zeigte Leverkusen dann zwar eine nicht perfekte, aber eine deutlich verbesserte Leistung. Die Einwechslungen von Jeremie Frimpong, Granit Xhaka und Florian Wirtz zahlten sich aus.
Mit den Stammspielern hatte die Werkself sofort mehr Zugriff und Kontrolle, auch weil sich die Kraftreserven von Karabach dem Ende neigten. Mehrere Spieler plagten Krämpfe in den letzten Spielminuten. Der Anschlusstreffer resultierte durch einen individuellen Fehler: Wirtz veredelte den Fehlpass von Karabach-Angreifer Abdellah Zoubir per tollem Lupfer. Folglich schwärmte Alonso: „Ich habe Flo in der Kabine gesehen und sah in seinen Augen, dass er unbedingt spielen und helfen wollte. Das hat er gut gemacht.“
Das Tor markierte den 100. Treffer der Leverkusener in der laufenden Saison. Nur Manchester City (110 Tore) und der FC Liverpool (110) erzielten mehr Treffer. Nach dem Anschlusstreffer drückte Leverkusen nun und belohnte sich in Person von Patrik Schick, der nach butterweicher Flanke von Robert Andrich seinen ersten Treffer 2024 erzielte. Alonso freute sich für den Tschechen: „Wir können viel mit Schick arbeiten. Aber das Wichtigste für einen Stürmer und für Patrik war gestern, dass er wieder ein Tor schießen konnte. Ich bin froh, dass er guten Mutes nach dem Spiel war.“ Die fehlenden Stürmer-Tore waren zuletzt eine Thematik.
Schon am Sonntag kann die Werkself das 36. Spiel in Folge ungeschlagen bleiben, falls man gegen den VfL Wolfsburg nicht verliert. Das Trainerteam rund um Alonso und seine Mannschaft dürften die erste Halbzeit in Baku schnell abhaken, um sich auf das Spiel in Wolfsburg zu konzentrieren. Doch das Hinspiel des Achtelfinales offenbarte, wo Leverkusen verwundbar ist und sich verbessern muss.
Leistungseinbrüche bei dreifacher Belastung sind normal. Viel wichtiger indes ist jedoch die Reaktion auf solch komplizierte Umstände und sagt viel mehr über den Zustand einer Mannschaft aus, als vermeintlich „einfache“ Spiele zu gewinnen. Eine derartige Widerstandsfähigkeit kann der Schlüssel dafür sein, nicht nur in einem, sondern in allen drei Wettbewerben erfolgreich zu sein.