Deutschlands älteste MetropoleStadt Köln ist berühmt für ihre 2000-jährige Geschichte
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Köln – Es gibt in Köln eine 100 Meter hohe Aussichtsplattform auf einem Hochhaus, KölnTriangle genannt. Von hier aus hat man einen perfekten Blick über die Stadt. Beherrscht wird die Skyline von der größten Kirche Deutschlands, dem gotischen Dom, der alles andere überragt. Darunter breitet sich eine Stachelsilhouette mit vielen anderen Türmen aus. Die meisten davon gehören zu den zwölf romanischen Kirchen Kölns, die noch älter sind als der Dom, teils mehr als 1000 Jahre. Wiederum ein Niveau darunter liegen die spitzgiebeligen Dächer der Bürgerhäuser. Dazwischen ragen auch moderne Bürotürme und Wohnblöcke auf, aber im Grunde ist die Stadt immer noch so aufgebaut wie im Mittelalter. Vor diesem Panorama erstreckt sich das funkelnde, silberne Band des Rheins. Diesem großen Fluss hat Köln fast alles zu verdanken: seinen Handel, seinen Aufstieg und einen großen Teil seiner heutigen Anziehungskraft.
Köln ist mit 1,1 Millionen Einwohnern die viertgrößte Stadt Deutschlands. Es ist gleichzeitig die westlichste und älteste deutsche Metropole. Ihre Geschichte beginnt mit Agrippa, dem Feldherrn des Kaisers Augustus. Er siedelte im Jahr 19 vor Christus das römerfreundliche germanische Volk der Ubier auf das linke Rheinufer um. Hier entstand nun eine befestigte Römersiedlung. Die dort geborene römische Kaiserin Agrippina erhob ihren Geburtsort zur Stadt. Aus dem Namen „Colonia Claudia Ara Agrippinensium“ wurde später die Kurzform Köln.
Köln entwickelte sich schnell zu einer richtigen Römerstadt mit Palästen, Tempeln, Theatern und Badeanstalten. Auf der anderen Seite des Rheins wohnten die Germanen – die Barbaren. Bis heute sieht Köln am besten aus, wenn man es sich von der rechten, der Deutzer Rheinseite aus anschaut. Deswegen wurde dort vor einigen Jahren der Rheinboulevard errichtet, eine 500 Meter lange Freitreppe für bis zu 10 000 Menschen. An schönen Sommerabenden herrscht hier eine tolle Stimmung: Manche haben Pizza und Rotwein mitgebracht, andere trinken Kölsch, das typische Kölner Bier. Große antike Ruinen sind in Köln nicht erhalten geblieben. Aber wenn man zum Beispiel neben dem Dom in das Römisch-Germanische Museum blickt, sieht man dort einen wunderbar erhaltenen Fußboden aus 1,5 Millionen Mosaiksteinen. Er zeigt den griechischen Gott des Weins, der Fruchtbarkeit und der Ekstase – Dionysos. Viele finden bis heute, dass dieser Gott von allen am besten zum feierfreudigen Köln passt.
In der Spätantike hielt das Christentum in Köln Einzug. Teilweise wurden die römischen Tempel einfach in Kirchen umgewandelt, so steht St. Maria im Kapitol auf dem Fundament des wichtigsten Tempels, des Kapitols. Auch der älteste Teil der Kirche St. Gereon stammt noch aus der Antike. Die später errichtete Kuppel, die zehneckigen Kirchenraum überwölbt, war lange Zeit die größte in Nordeuropa. Köln hatte das Geld dafür, weil es über den Rhein Handel mit einem großen Teil West- und Nordeuropas trieb. Es sei im Grunde eine 200 Kilometer landeinwärts gelegene „Seehafen-Stadt“, bemerkte im 18. Jahrhundert Thomas Jefferson, der Vater der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung.
Noch heute ist der Rhein für die Kölner eine Art Meeresersatz. Wenn im Juli oder August ein richtig heißer Tag anbricht, zieht es die halbe Stadt an die Rodenkirchener Riviera am linken Rheinufer südlich der Innenstadt. Dort findet man tatsächlich weißen Sand, soweit das Auge reicht. Dem Drang zum Schwimmen sollte man allerdings auf keinen Fall nachgeben: Unter der verlockend blauen Oberfläche verbergen sich lebensgefährliche Strömungen.
Der Handel übers Meer machte Köln zur größten deutschen Stadt des Mittelalters. Köln besaß damals sogar ein eigenes Gelände an der Themse in London. Das wichtigste Handelsgut war Rheinwein, aber auch Wachs, Gerste und Ausrüstung für Bogenschützen fanden großen Absatz. Die in Köln angelandeten Waren wurden mit Holzkränen aus den Schiffen gehoben und in Magazinen und Speicherhäusern zwischengelagert.
Eine besonders wichtige Zäsur in der Kölner Geschichte markiert das Jahr 1164. Damals brachte Erzbischof Rainald von Dassel eine Ansammlung von Knochen als Kriegsbeute aus Mailand mit und behauptete, dies seien die Gebeine der Heiligen Drei Könige, die das Jesuskind beschenkt hatten. In kürzester Zeit stieg Köln zum bedeutendsten Wallfahrtsort neben Rom und Santiago de Compostela auf. Um die Bedeutung der Gebeine noch stärker herauszustellen, bestellten die Kölner für sie den größten Goldschrein, der je gebaut worden war, und beschlossen den Bau einer riesigen Kathedrale. Diese Kathedrale sollte aber zu einem großen Teil nicht aus Stein gebaut sein, sondern aus Glas. Die Wände des Kölner Doms bestehen überwiegend aus Fenstern. Die Fensterfläche ist so groß, dass man damit ein 30-stöckiges Hochhaus verglasen könnte. Um das zu ermöglichen, haben die Wände fast keine tragende Funktion - der gewaltige Bau ruht stattdessen auf Pfeilern: schlanken Innenpfeilern und dicken Außenpfeilern, dem sogenannten Strebewerk. Wenn man diese „Krücken“ wegnehmen würde, würde der Dom sofort zusammenbrechen. Alles ist also auf die Wirkung der Fenster ausgerichtet. Das älteste davon stammt von 1260, das jüngste wurde 2007 von dem in Köln lebenden Künstler Gerhard Richter gestaltet.
Es ist heute eine der Haupttouristenattraktionen der Stadt, denn wenn draußen die Sonne scheint, leuchten die abstrakten Farbquadrate des Fensters magisch auf und übergießen den Kirchenraum mit Rot, Gelb, Blau, Grün, Violett. Die Menschen des Mittelalters waren davon überzeugt, dass man im Licht Gott erkennen konnte.
Mit dem Bau einer Kathedrale, die noch größer sein sollte als jene in Paris, hatten sich die Kölner allerdings übernommen. Im 15. Jahrhundert kamen die Bauarbeiten ins Stocken, im 16. Jahrhundert wurden sie eingestellt. Erst im 19. Jahrhundert, als man die gotische Architektur wieder zu schätzen begann, wurden die Bauarbeiten fortgesetzt und 1880 nach mehr als 600 Jahren abgeschlossen. Damals war der Dom noch schön hell. Schwarz wurde er erst durch Kohleheizungen, Fabrikschornsteine und Dampflokomotiven. Noch heute scheint man mit dem Zug geradewegs in den Dom hineinzufahren, denn die auf den Hauptbahnhof zuführende Hohenzollernbrücke liegt genau in der Längsachse der Kathedrale.
Das Mittelalter endete in Köln später als anderswo, nämlich so richtig erst im Jahr 1794, als die Stadt von französischen Revolutionstruppen erobert wurde. Nach dem Sturz Napoleons 1814 fiel Köln an Preußen. Lange wollten die Kölner aber keine richtigen Preußen sein, weil ihnen die zu autoritär waren. Die Regierung im fernen Berlin betrachtete die Stadt als Unruheherd und Sammelbecken liberaler und demokratischer Kräfte. So wirkten in Köln die Kommunisten Karl Marx und Friedrich Engels, bis ihnen der Boden unter den Füßen zu heiß wurde. In dieser Zeit entstand auch der organisierte Karneval, für den Köln deutschlandweit bekannt ist.
Vom Abriss der Stadtmauer 1881 bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs wuchs die Stadt so schnell wie nie zuvor oder danach: Die Einwohnerzahl vervierfachte sich auf mehr als 600 000. Die Atmosphäre der Zeit vermittelt noch der Melatenfriedhof mit seinen prächtigen Grabmälern. Aber auch das beliebte Schokoladenmuseum am Rhein hat hier seine Wurzeln: Das bekannteste Kölner Unternehmen war damals die Kaiserlich-Königliche Hof-Chocoladenfabrik Gebrüder Stollwerck, angeblich die größte der Welt.
Der Erste Weltkrieg beendete diese Phase des scheinbar unaufhaltsamen Aufschwungs. Aufgrund seiner Nähe zu Frankreich war Köln zu der am stärksten befestigten Stadt des Deutschen Reiches ausgebaut worden. Nach der deutschen Niederlage 1918 schrieb der Versailler Vertrag den Abriss dieser Forts vor. Der damalige Oberbürgermeister Konrad Adenauer hatte die Idee, den einstigen Festungsgürtel zu einer Parkanlage umzugestalten. So entstand der bis heute bestehende Grüngürtel um die gesamte Innenstadt.
1933 musste Adenauer aus Köln fliehen – die Nationalsozialisten übernahmen die Macht. Mehr als 7000 Einwohner, die meisten davon Juden, aber auch Sinti, Roma und Homosexuelle, wurden bis 1945 Opfer nationalsozialistischer Verfolgung. Im NS-Dokumentationszentrum in der ehemaligen Gestapo-Zentrale kann man heute noch die winzigen Zellen besichtigen, in denen Inhaftierte auf Befragung, Abtransport oder Hinrichtung warteten. Auf den Wänden befinden sich 1800 Inschriften und Zeichnungen von Gefangenen. Widerstand gegen das Terrorregime hat es gegeben, doch anders als sich viele Kölner nach 1945 einreden wollten, war er nicht umfangreicher als anderswo.
Die Bombardierungen der Alliierten trafen Köln so stark wie kaum eine andere Stadt. Nach dem letzten dieser Angriffe am 2. März 1945 stand kaum noch ein Stein auf dem anderen. Nur der Dom erhob sich groß und schwarz und scheinbar ungeschunden aus der Mondlandschaft. Zwar blieb beim Wiederaufbau die gewachsene Straßenführung erhalten, doch anders als etwa in Warschau wurde die historische Bebauung nicht rekonstruiert. Die wichtigsten Ausnahmen bildeten die romanischen Kirchen, der Rathausturm und einige Straßenzüge rund um den Alter Markt. Das ist der Grund dafür, dass man heute in Köln nicht das Gefühl hat, in einer alten Stadt zu sein.
Wandel zur Kunst- und Medienstadt
Dadurch dass Deutschland einschließlich seiner Hauptstadt nach dem Krieg 40 Jahre geteilt blieb, konnten andere Städte Funktionen übernehmen, die zuvor Berlin innegehabt hatte. Köln mauserte sich zur Kunst- und Medienstadt. 1986 wurde direkt neben dem Dom das Museum Ludwig eröffnet, ein wichtiges Haus für moderne Kunst.
2010 zählte man in Köln 181 Nationen. Faszinierend ist, dass sich Köln dem Fremden unbefangen öffnet und dabei doch seine Identität bewahrt. Ein Beispiel dafür ist der Karneval. Köln feiert ihn jeden Winter nach alter Tradition – und jeder kann mitmachen. Man muss sich nicht vorbereiten, und man muss nichts beachten. Köln stellt keine Ansprüche. Deshalb heißt es auch, dass es kaum eine andere deutsche Stadt gibt, in der man so leicht Kontakte knüpfen und heimisch werden kann wie hier.