Köln/Düsseldorf – Der Streit um den möglichen Einstieg des chinesischen Konzerns Cosco beim Hamburger Hafen schlägt derzeit hohe Wellen, die auch vor NRW keineswegs Halt machen. Kein Wunder, denn China hat sich in den vergangenen Jahren zu einem der bedeutendsten Wirtschaftsfaktoren in der Region an Rhein und Ruhr entwickelt.
Importware in Höhe von mehr als 30 Milliarden Euro
Die nordrhein-westfälische Wirtschaft importierte aus China im Jahr 2020 Waren im Wert von 31,9 Milliarden Euro. Wie Information und Technik Nordrhein-Westfalen als Statistisches Landesamt ermittelt hat, war die Volksrepublik China damit nach den Niederlanden das zweitwichtigste Importland der NRW-Wirtschaft. Bei den Exporten rangierte China mit einem Ausfuhrwert von 12,1 Milliarden Euro auf Platz drei hinter den Niederlanden und Frankreich. Die Importe aus China stiegen im Jahr 2020 im Vergleich zu 2019 um 4,0 Prozent, während die Exporte dorthin in etwa konstant geblieben sind.
Besonders in den 2010er Jahren vergrößerte und verfestigte sich das Engagement chinesischer Unternehmen in NRW. 2015 wurde in Düsseldorf als Landeshauptstadt ein neues chinesisches Generalkonsulat eröffnet, wegen der starken Industrie und der vielen Mobilfunker in der Region ist der Standort für die Volksrepublik interessant. Dem wurde auch damit Rechnung getragen, dass Chinas Staatsoberhaupt Xi Jinping 2014 Düsseldorf und das Rheinland persönlich besuchte. Es war der größte und aufwendigste Staatsbesuch, den Düsseldorf bis dato erlebt hatte.
„Neue Seidenstraße“ zwischen China und NRW im Jahr 2020 eröffnet
Ihren Höhepunkt erlebte die wirtschaftliche Zusammenarbeit im Jahr 2020. Nach langer Planung wurde die so genannte „Neue Seidenstraße“ zwischen China und NRW eröffnet. Offiziell heißt sie Trans-Eurasia-Express und ist eine Eisenbahnlinie für den Güterverkehr. Ihr deutscher Endpunkt ist der Duisburger Hafen, der größte Binnenhafen Europas. Seit 2020 verkehren zwischen Shenzhen und Duisburg bis zu 60 Züge pro Woche.
Auch am Duisburger Hafen wollten sich die Chinesen – ähnlich wie in Hamburg – beteiligen. Das Duisburger Projekt wurde Anfang des Jahres vorgestellt. Für 100 Millionen Euro soll auf 235 000 Quadratmetern das größte Hafenterminal im europäischen Binnenland entstehen. Die chinesische Reederei Cosco war mit 30 Prozent an dem Projekt beteiligt. Mit dem Beginn des russischen Angriffskriegs und den erneuten Drohungen Chinas, die Insel Taiwan gewaltsam zu erobern, mehrten sich die Stimmen, die vor einer wirtschaftlichen Abhängigkeit zu China warnten. Wie nun bekannt wird, hat die Duisburger Hafengesellschaft die Anteile von Cosco bereits im Juni dieses Jahres selbst übernommen – also lange bevor die Debatte über die chinesische Reederei richtig Fahrt aufgenommen haben. Über die Gründe für den Ausstieg haben beide Seiten Stillschweigen vereinbart.
Mehrheit in NRW-Politik lehnt China-Engagement im Land ab
Auch aktuell überwiegt in der NRW-Politik die Ablehnung, was ein Engagement der Chinesen an Infrastrukturprojekten im Land angeht. „Wenn Außenwirtschaftsbeziehungen allein einem Primat der Ökonomie folgen, steigt die Abhängigkeit. Die gravierenden Auswirkungen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine machen deutlich: durch wirtschaftliche Abhängigkeit sinkt politische Handlungsfreiheit. Politik und Wirtschaft müssen Rohstoffquellen und Absatzmärkte diversifizieren“, sagte NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.
„Ich finde es sehr gefährlich, wenn wir wichtige Infrastruktur in den Einfluss staatlicher Akteure bringen, die demokratische und rechtsstaatliche Standards nicht erfüllen“, sagt Christian Untrieser, wirtschaftspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Landtag. Ähnlich sagt es sein Pendant vom Koalitionspartner: „Die Auswirkungen von Putins Angriffskrieg auf die Ukraine haben gezeigt, wie gefährlich die wirtschaftliche Abhängigkeit von autoritären Regimen sein kann. Was für Russland gilt, gilt für China ebenfalls“, sagt Jan Matzoll, Sprecher für Wirtschaft der Grünen im Landtag.
Kurzfristige Gewinninteressen nicht über Versorgungssicherheit stellen
Die Versorgungssicherheit mit kritischen Gütern und Dienstleistungen dürfe nicht gegen kurzfristige Gewinninteressen ausgespielt werden. Ähnlich argumentiert André Stinka, wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion: „Gerade bei der kritischen Infrastruktur, bei sensiblen Daten und bei der Daseinsvorsorge ist darauf zu achten, dass keine Abhängigkeiten entstehen.“ Andreas Pinkwart Sprecher FDP-Fraktion für Internationales und im letzten Kabinett Wirtschaftsminister reicht offenbar eine Art Beobachtung solcher Investments. „Bei den kritischen Infrastrukturen braucht es ein lückenloses Monitoring von internationalen Beteiligungen und einer Prüfung, welche Abhängigkeiten dadurch entstehen. Pinkwart ist ansonsten Befürworter der Zusammenarbeit mit China.
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Wirtschaftsvertreter plädieren dagegen für mehr Offenheit gegenüber China. „Wenn wir nur noch Handel mit Ländern treiben sollen, die die gleichen Werte vertreten wie unsere eigene Demokratie, dann wird es für unsere Exportwirtschaft schwierig. Das heißt im Umkehrschluss aber nicht, dass wir uns für unsere Werte nicht einsetzen sollen“, sagt Andreas Schmitz, früher Vorstands- und später Aufsichtsratschef der Bank HSBC Trinkaus (HSBC steht für Hongkong & Shanghai Banking Corporation).
Die Beteiligung von Cosco an Hamburger Hafen sei unterhalb der Sperrminorität und ermögliche keinen gesellschaftsrechtlichen Einfluss auf das operative Geschäft. „Auch ohne Beteiligung könnte Cosco seine Containerströme auf andere europäische Seehäfen umleiten, an denen man beteiligt ist. Ferner sollte man auch nicht gleich den Untergang des christlichen Abendlandes ausrufen, wenn man bedenkt, dass es in Hamburg ja gar nicht um den ganzen Hafen, sondern nur um ein einzelnes Terminal gehe“, so der bekannte China-Experte.