Weil nach dem Unglück ein Kran auf die neue Brücke zu stürzen drohte, blieb die A1 stundenlang gesperrt.
Tödlicher ArbeitsunfallJetzt ermittelt die Polizei – Was geschah auf der Leverkusener Rheinbrücke?
Zwölf Männer in orangefarbenen Warnwesten, blaue Arbeitshelme auf dem Kopf, stehen am Donnerstag gegen 9.30 Uhr auf der Baustelle unterhalb der neuen Leverkusener Rheinbrücke in Köln-Merkenich. Manche rauchen eine Zigarette, andere trinken Wasser aus Plastikflaschen, die meisten starren vor sich ins Leere. Einer lehnt an einer Wand, er hält sein Gesicht mit der linken Hand bedeckt.
Eine Stunde zuvor ist einer ihrer Kollegen bei einem Arbeitsunfall auf dem alten, stillgelegten Teil der Leverkusener Autobahnbrücke ums Leben gekommen. Er wurde 22 Jahre alt. Zwei weitere Arbeiter wurden lebensgefährlich, vier leicht verletzt. Die etwa 30 Männer mit den blauen Helmen waren in der Nähe, einige standen unmittelbar daneben und haben alles mitangesehen. Laut Polizei haben manche einen Schock erlitten. Notfallseelsorger gehen jetzt von einem zum anderen und bieten Gespräche an.
Köln: Bauteile stürzten vom Gerüst auf die alte Brücke herab
„Viele der Arbeiter realisieren gerade erst, was passiert ist“, sagt Feuerwehrsprecher Ulrich Laschet. Manche, ergänzt er, möchten sprechen über das, was sie gesehen haben. Andere nicht. „Da ist eben jeder Mensch anders.“ Aufgabe der Seelsorger ist es, genau das herauszufinden, ohne sich aufzudrängen.
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Laschet steht nur ein paar Meter weiter vor einem Drehleiterfahrzeug der Feuerwehr unterhalb der Unfallstelle: rechts über ihm der letzte Rest der alten Rheinbrücke aus den 60er Jahren, die seit Monaten abgebrochen wird. Hier geschah der tödliche Unfall. Links die neu gebaute Rheinbrücke, auf der zu diesem Zeitpunkt noch der Verkehr über die A1 rollt.
Auf einem Drohnenfoto aus der Luft ist später auf der alten Rheinbrücke der Stumpf eines Pfeilers zu erkennen, an dem ursprünglich die Stahl-Tragseile befestigt waren, die die Brücke hielten. Für die Abrissarbeiten ist der Pfeiler mit grauer Plane eingehüllt. Oben heraus ragt ein abgeknicktes verbogenes Baugerüst, daran hängt schief ein Bauaufzug, am Fuße des Pfeilers liegen Trümmerteile. Direkt daneben steht ein gelber Autokran, der möglicherweise eine Hauptrolle bei dem Unglück gespielt hat.
Quer über dem Fahrzeug liegen die schweren roten Stahl-Tragseile, sie haben das Fahrerhaus eingedrückt, die Scheiben sind gesplittert. Der oder die Insassen sollen bei dem Unglück allerdings nicht verletzt worden sein, zumindest nicht schwer, heißt es. Was genau passiert ist gegen acht Uhr an diesem Morgen steht noch nicht fest. Möglicherweise sollte der Kran die Stahlseile vom Pfeiler holen, die dabei heruntergestürzt sind und die Arbeiter getroffen haben. Vielleicht wurden sie auch von den herabfallenden Gerüstteilen überrascht.
Feuerwehrsprecher Laschet weiß am Vormittag auch noch nicht mehr, nur so viel: „Aus bislang ungeklärter Ursache hat sich vom Kran entweder eine Last gelöst oder die dazugehörigen Lastleinen haben sich gelöst und mehrere Personen getroffen.“ Fest stehe jedenfalls, dass niemand eingeklemmt oder unter einem abgestürzten Stahlteil begraben worden ist. Ein Polizeisprecher ergänzt später am Tag, bei der Suche nach der Unglücksursache stehe man noch ganz am Anfang.
Die Leverkusener Brücke wird neu gebaut, weil die alte marode war. Das erste neue Brücken-Teilstück war Anfang Februar nach jahrelangen Bauarbeiten für den Verkehr freigegeben worden. Voraussichtlich im Frühjahr 2025, wenn die alte Brücke komplett abgerissen ist, soll das zweite Teilstück parallel zum ersten errichtet werden, bis Ende 2027 soll das noch dauern. Für beide Neubauten sind jeweils bis zu sechs Fahrspuren und je ein Standstreifen geplant, damit die Brücke auch für künftig steigende Verkehrsbelastungen gerüstet wäre. Ob das Unglück am Donnerstag den Zeitplan nun durcheinander bringen könnte, stehe noch nicht fest, teilte eine Sprecherin der Autobahn GmbH mit.
Vorerst hat die Polizei die Unglücksstelle in Besitz genommen. Die Ermittler müssen nun herausfinden, was genau geschehen ist – und warum. Ob zum Beispiel ein Materialfehler die Ursache gewesen sein könnte oder menschliches Versagen. Dazu müssten Zeugen vernommen und Spuren auf der Brücke gesichert und ausgewertet werden, sagte ein Polizeisprecher. Polizei und Staatsanwaltschaft hätten ein „reguläres Todesermittlungsverfahren“ eingeleitet. Die Leiche des verunglückten Bauarbeiters soll in der Rechtsmedizin obduziert werden.
Am Donnerstagmittag entschließt sich die Polizei dann, sicherheitshalber die neue Autobahnbrücke zu sperren, auch für Fahrradfahrer. Denn der Autokran mit dem ausgefahrenen Mast ist derart beschädigt, dass er umkippen könnte – „und wenn, dann fällt er auf die neue Brücke“, sagt der Polizeisprecher. Schon wird bei der Feuerwehr überlegt, einen zweiten Spezialkran anzufordern, der den anderen von der Brücke hieven könnte. Doch um kurz vor 16 Uhr gibt ein Statiker Entwarnung: Der Mast kann einfach eingefahren werden und der Kran stehen bleiben, wo er ist. Die Sperrung wird wieder aufgehoben.