Köln – Auch einen Monat nach der Landtagswahl zeigt sich die Kölner CDU tief gespalten. Nachdem die Union in Köln erneut ein Wahldebakel erlebte, steht der Parteivorstand weiterhin unter schwerem Beschuss. Selbst Unterstützer der Parteispitze vermissen jegliche Geschlossenheit.
Die Basis umtreibt die Sorge, in die politische Bedeutungslosigkeit abzudriften. Beim ersten Parteitag nach der Landtagswahl herrschte nur in einem Punkt Einigkeit: So kann es nicht weitergehen. Doch die Vorstellungen darüber, wie die CDU wieder Erfolg haben könnte, gehen weit auseinander.
„Wahlanalyse, keine Statistik“
Die Interpretation einer Niederlage ist oft die Grundlage, Dinge künftig besser zu machen. Sollte das die Intention des Punkts „Wahlanalyse Landtagswahl 2022“ beim Kreisparteitag gewesen sein, ist es um die Union schlecht bestellt. Der ehemalige Bundestagsabgeordnete Karsten Möring sollte eine von der Konrad-Adenauer-Stiftung erstellte Analyse referieren.
Für die Vorbereitung darauf wurde ihm indes kaum Zeit eingeräumt. Deshalb trug er meist allerhand Zahlen vor, die sich jeder schon lange im Internet hätte anschauen können. „Wahlanalyse, keine Statistik“, forderte ein Zwischenrufer erzürnt, woraufhin Möring schlicht entgegnete: „Das kann man ohne vernünftige Grundlage nicht machen.“
Union verlor vor allem bei den Erststimmen
Eine Erkenntnis aus dem Zahlenwerk ist, dass die Union vor allem in Köln deutlich bei den Erststimmen verlor, also die für die Direktkandidaten. Alle CDU-Aspiranten haben hier schlecht abgeschnitten, bis auf Florian Braun, der in Porz sein Mandat verteidigte. Parteichef Bernd Petelkau hat in seinem Wahlkreis im Kölner Südwesten, einst CDU-Stammland, besonders gelitten. Nur die Phantomkandidatur von Ex-NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Essen brachte ein noch magereres Ergebnis. Sie war wegen eines Mallorca-Aufenthalts während der Flutkatastrophe vorigen Sommer zurückgetreten und verzichtete im Zuge dessen auch auf ihr Landtagsmandat, stand aus formalen Gründen jedoch noch auf dem Stimmzettel.
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Die Kritiker Petelkaus hätten in der Analyse gern die Niederlage des Parteichefs in seinem Wahlkreis deutlicher herausgestellt gesehen, um weitere Angriffspunkte zu sammeln. Da das jedoch ausblieb, mussten sie ihre Attacken bei der anschließenden Debatte in auf zwei Minuten verkürzten Redebeiträgen fahren. Petelkau habe sich in den vergangenen Jahren „Verdienste um die Partei erworben“, aber sei „nicht der Richtige, um die CDU in die Zukunft zu führen", sagte der ehemalige Flughafenchef Michael Garvens. „Wir haben in Köln gnadenlos verloren. Das zeigt, dass wir ein Personalproblem haben“, fand Marcus Mosen. Karl Alexander Mandl, Vorsitzender der Kölner Mittelstandsunion, bescheinigte der Partei und vor allem deren Führung ein „eklatantes Glaubwürdigkeitsproblem“ und einen Hang zu selbstverschuldeten, rufschädigenden Affären.
Oliver Kehrl war nicht anwesend
Aber nicht nur die Wahlanalyse wirkte eindimensional, auch die parteiinterne Opposition bot ein unsortiertes Bild. Garvens wollte in einem Initiativantrag einen Sonderparteitag beschließen, in dem die Parteispitze um Petelkau neu gewählt wird. Doch die für die Aufnahme auf die Tagesordnung nötigen 30 Mitgliederunterschriften und den gut 200 Parteitagsgängern hatte er im Vorfeld offenbar nicht organisiert, der Punkt wurde nicht behandelt. Außer Garvens hielten sich die prominentesten Gegenspieler Petelkaus zurück. Einer der zuletzt schärfsten Kritiker des Parteichef, der Vorsitzende des CDU-Stadtbezirksverbands Rodenkirchen Oliver Kehrl, fehlte ganz, dem Vernehmen nach aus Krankheitsgründen.
So konnte sich etwa der ehemalige Bundestagsabgeordnete und Ratsfraktionsvorsitzende Rolf Bietmann gegen eine vorgezogene Neuwahl des Parteivorstands aussprechen, da die aktuelle CDU-Spitze erst vor kurzem gewählt worden sei. Auch wenn selbst er feststellte, dass in der CDU derzeit „von Geschlossenheit nichts mehr zu spüren“ sei.
Ein „strukturellen Wandel“ ist notwendig
Der gescholtene Petelkau gab sich derweil kämpferisch. Die Partei müsse sich einem „strukturellen Wandel“ unterziehen, unter anderem um jüngere und vielfältigere Wählerschichten zu erreichen, ohne die Stammklientel zu verschrecken. Auch die Funktionärsebene müsse jünger und weiblicher werden. Nachdem die Union in den vergangenen beiden Oberbürgermeisterwahlen keinen eigenen Kandidierenden ins Rennen schickte, solle das bei der Kommunalwahl 2025 wieder geschehen. Die von Petelkau angesprochenen Punkte fanden sich in einem Antrag der Jungen Union wieder, den der Kreisparteitag verabschiedete.
Überdies pries Petelkau die Erfolge der Kölner Union in den vergangenen Jahren etwa beim Wohnungsbau und hob die „Vollendung der Ost-West-U-Bahn“ hervor, die die CDU vorantreibe. Die Betonung auf „U-Bahn“ dürfte der Bündnispartner im Stadtrat genau zur Kenntnis nehmen: Die Grünen lehnen eine Tunnellösung für die Stadtbahnstrecke kategorisch ab und wollen eine oberirdische Trasse. Überhaupt beschwor Petelkau oft das Feindbild der Grünen, wenngleich in Kombination mit der SPD: „Man mag sich nicht vorstellen, wenn Rot-Grün in Köln nach 2015 weiterregiert hätte.“
„Von diesem Parteitag ist das klare Signal ausgegangen, dass wir unsere Partei erneuern und modernisieren wollen“, sagte Petelkau auf Anfrage. Im August werde er sich mit den Vorsitzenden der CDU-Stadtbezirksverbände, die fast alle zu seinen Unterstützern zählen, zusammensetzen, um die nächsten Schritte zu besprechen. Der kommende CDU-Parteitag ist am 18. Oktober.
„Aktuell“ seien dann keine Neuwahlen des Vorstands vorgesehen, heißt es aus der CDU. Die wären turnusgemäß erst Ende 2023 dran. Petelkau kündigte dennoch an, die Vorstandswahlen vorzuziehen. Ein Termin dafür steht noch nicht fest. Das lässt zwei Schlüsse zu: Der Parteichef glaubt, seine parteiinternen Kritiker um Thomas Breuer, dem Wirtschaftsanwalt Konrad Adenauer oder Garvens im Griff zu haben. Oder er möchte den Zeitpunkt eines möglichen Rückzugs zumindest aus der Parteispitze selbst bestimmen.