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„Neue Form der Brutalität“Reul nennt 22 Tatorte bei Explosions-Serie – Polizeipräsident äußert sich im Kölner Stadtrat

Lesezeit 4 Minuten
Ein Ermittler untersucht den Tatort auf der Ehrenstraße nach einer Explosion.

Die Serie von Explosionen in Köln wird nun auch Thema im Stadtrat.

Die Explosions-Serie wird nun auch Thema im Stadtrat. Innenminister Reul sieht eine „neue Form der Brutalität“ – und nennt Zahlen.

Die Explosionsserie in Köln der vergangenen Monate mit Bezug zu niederländischen Drogenbanden zeigt nach Ansicht des nordrhein-westfälischen Innenministers Herbert Reul (CDU) „eine neue Form der Brutalität“. Die Methode dieser Banden ihre Interessen mit Gewalt zu verteidigen, sei hierzulande ein neues Phänomen, sagte Reul im Innenausschuss des Landtages. Aber: „Eine Entwicklung mit einer Gewaltspirale, einer gefährlichen Gewaltspirale, durch organisierte Kriminalität analog zu den Niederlanden und Belgien ist derzeit in Nordrhein-Westfalen nicht festzustellen“, betonte er.

An den mutmaßlich zusammenhängenden Taten arbeiten laut Reul inzwischen 80 Ermittler. Es gebe bislang 22 Tatorte. 33 Beschuldigte seien identifiziert, 13 säßen in Haft. Insgesamt gebe es momentan 43 Ermittlungsverfahren, in 33 Fällen liefen Finanzermittlungen. Bei mehr als 20 Durchsuchungen seien mehr als 1200 Asservate sichergestellt worden – darunter Schusswaffen, Drogen und vor allem Datenträger. „Die Tatsache, dass im Moment keine Woche vergeht, ohne dass irgendwo eine Explosion stattfindet oder Schüsse auf Wohn- oder Geschäftshäuser abgegeben werden, versetzt mich genauso wie Sie in große Sorge“, sagte Reul.

Reul: „Bedeutsamer, dass man die Hintermänner erwischt“

Die Kölner Polizei arbeite „sensationell gut“ an der Aufklärung. Bereits nach den ersten Taten im Juni habe sie sehr schnell festgestellt, dass ein Bezug zu den Niederlanden besteht.

Die Ermittlungen hinter den Kulissen seien sehr komplex – Details dürften nicht an die Öffentlichkeit dringen. „Ich kann Ihnen sagen, da läuft eine gigantische Ermittlungsarbeit. Je mehr wir preisgeben, desto weniger effektiv sind wir – und ich will effektiv sein“, sagte Reul. „Es ist ja nicht bedeutsam, den einen Menschen zu erwischen, der da den Sprengsatz gelegt hat“, sagte er. „Viel bedeutsamer ist ja, durch vorsichtige Informationspolitik dazu beizutragen, dass man die Strukturen und die Hintermänner erwischt.“

Explosion in Köln-Pesch wohl nicht Teil des Komplexes

Die jüngste Explosion in einem Café in Köln-Pesch am Mittwoch steht nach Angaben von Reul und der Kölner Staatsanwaltschaft nicht in dieser Reihe. Der Hintergrund liegt in diesem Fall wohl eher im privaten Bereich, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft. Der Beschuldigte, der sich bei der Polizei gemeldet hatte, habe einen familiären Bezug zum Café-Betreiber. Auch „hinsichtlich der Tatbegehung und des Adressatenkreises“ gebe es keinen erkennbaren Zusammenhang zu den anderen Explosionen.

Nach seiner Vernehmung war der Verdächtigte wieder auf freien Fuß gesetzt worden, weil bei einer Wohnungsdurchsuchung keine Beweise gefunden wurden. Er bestreite die Tat. Gegen ihn werde weiter ermittelt, sagte der Sprecher. Auch nach einem zweiten Verdächtigen wird weiter gefahndet.

Die Café-Betreiber äußerten sich am Donnerstag auf Instagram zu der Explosion. Sie seien „bestürzt“ über den Vorfall, aber „froh, dass es keine Verletzten oder gar Tote gibt.“ Sie wollen klarstellen, „dass wir selbst natürlich nichts mit dem feigen Anschlag zu tun haben“ und hoffen auf schnelle Ermittlungserfolge durch die Polizei.

Aktuelle Stunde im Kölner Rat

Die Explosionen werden im Rahmen einer Aktuellen Stunde auch Thema im Kölner Rathaus. Bei der nächsten Ratssitzung am 1. Oktober wird dann auch der Kölner Polizeipräsident Johannes Hermanns Rede und Antwort zu der Serie von Explosionen stehen und über den Stand der Ermittlungen informieren. Das bestätigte eine Polizeisprecherin.

„Das Ausmaß dieser Taten als auch die Vorgehensweise der Täter stellen laut Darstellung der Polizei hierzulande ein Novum dar. Dieser ‚neuen Dimension‘ der Kriminalität und Gewaltspirale muss zielgerichtet, ohne zeitliche Verzögerung und mit den notwendigen Maßnahmen begegnet werden“, heißt es in dem Antrag von CDU, SPD, FDP und Volt zur Aktuellen Stunde.

Auch Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) äußerte sich zu der Explosions-Serie. Sie habe Verständnis dafür, dass sich Menschen um ihre Sicherheit sorgen. „Ich hoffe auf schnelle Ermittlungserfolge“, sagte sie. Bernd Petelkau, Vorsitzender der Kölner CDU-Fraktion, sagte: „Die Bürgerinnen und Bürger, insbesondere die Anwohner und Geschäftsleute in der Innenstadt, sind verunsichert und erwarten zurecht von der Politik klare Antworten und entschlossenes Handeln. Es kann nicht sein, dass unsere Stadt Schauplatz für kriminelle Auseinandersetzungen internationaler Banden wird.“

Seit Ende Juni gab es insgesamt acht Explosionen vor Wohnhäusern und Geschäftsgebäuden in Köln, in anderen Städten der Region, etwa in Duisburg, Solingen oder Düsseldorf kam es zu ähnlichen Vorfällen. Hinzu kommen mehrere Schussabgaben auf Wohnhäuser und Geschäfte. Hintergrund der Taten sollen Auseinandersetzungen unter Drogenbanden, unter anderem aus den Niederlanden, sein. Die Ermittler schließen jedoch nicht aus, dass einige der Taten ihren Ursprung im Rockermilieu haben könnten. (red mit dpa)