Ortsbesuch um 4.30 Uhr in Raderberg. Die Händler sehen für einen alternativen Standort die Zeit weglaufen. Was sagt die Kölner Politik?
Nach FC-Absage an MarsdorfWie geht es weiter mit dem Kölner Großmarkt? – Händler haben Zukunftsangst
Es ist halb 5 Uhr morgens, auch wenn die große Uhr an der Ostseite der denkmalgeschützten Markthalle in Raderberg etwas anderes anzeigt. Die Nacht ist noch rabenschwarz, doch für die Händler am Großmarkt ist es schon fast Zeit für den Feierabend. In der Halle werden große Kanister Öl, Paletten voller Avocados und auch der erste Spargel und die ersten Erdbeeren der Saison verladen. Es ist ruhig in der Markthalle, lediglich die Gabelstapler hupen ab und an beim Zurücksetzen. Im Vorbeigehen grüßen die Händler sich freundlich.
Lange wird es dieses Treiben am Kölner Großmarkt nicht mehr geben. Am 31. Dezember 2025 könnte „vom einen auf den anderen Tag der Lichtschalter umgelegt werden“, sagt Michael Rieke, Sprecher der Interessensgemeinschaft Kölner Großmarkt. Anschließend wird die Fläche in Raderberg für das Stadtentwicklungsprojekt „Parkstadt Süd“ benötigt, in dem Wohnungen und Arbeitsplätze entstehen sollen. Was dann mit dem Großmarkt passiert, ist unklar. Für eine Verlängerung um drei Jahre in Raderberg fand sich im vergangenen Jahr im Stadtrat knapp keine Mehrheit.
Für ein Frischezentrum in Marsdorf fand sich bis jetzt kein Investor
Und für die neue vorgesehene Fläche in Marsdorf, wo ein „Frischezentrum“ den neuen Großmarkt darstellen soll, fand sich kein Investor. Laut der Großmarkt-Händler wohl auch, weil die Fläche für das Frischezentrum durch eine Initiative des Ratsbündnisses aus Grünen, CDU und Volt 2021 deutlich verkleinert wurde - unter anderem, weil ein Teil für den 1. FC Köln vorgehalten wurde. Der Bundesligist hätte sich hier mit einem neuen Campus ansiedeln können. Doch vor einer Woche kündigte der Verein an, am Geißbockheim bleiben zu wollen. Ist das jetzt eine neue Chance für den Kölner Großmarkt?
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Michael Rieke ist da zurückhaltend. „Wir hätten gerne eine Fläche, die groß genug für einen Großmarkt ist und die entsprechende Logistik hat, also nah an der Autobahn ist. Ob das nun in Marsdorf oder an anderer Stelle ist“, sagt er. „Nach der Absage des 1. FC Köln stehen wir wieder am Anfang. Es ist ein ewiges Ping-Pong-Spiel.“
Händler glauben nicht mehr an Zukunft in Marsdorf
Daran, dass es einen nahtlosen Übergang für den Großmarkt geben kann, glaubt hier niemand mehr. „Es ist schon zu spät“, sagt Norbert Heep, Geschäftsführer von „Früchte Heep“, hinter der großen Markthalle, draußen, im Nieselregen. Er habe 35 Angestellte, sagt er. Für deren Zukunft müsse er sorgen. Und sieht sich nach Alternativstandorten um. Seit 50 Jahren ist der Handel am Großmarkt, aktuell in dritter Generation. „Ich bin schon mit sieben Jahren hier mit meinen Eltern herumgelaufen“, erzählt Heep. Den Großmarkt will er nur ungern verlassen, die Zusammenarbeit mit den anderen Händlern schätzt er.
„Ich kann verstehen, dass das für die Stadt hier eine attraktive Fläche ist, die sie bebauen will“, sagt Heep. „Aber für uns gibt es keine Alternative. Marsdorf wäre ein idealer Standort für uns. Doch bis es da einen Investor gibt und etwas passiert, dauert es mehrere Jahre. Was soll ich bis dahin machen?“
Das heißt: Selbst, wenn es in Marsdorf für den Großmarkt wieder mehr Platz gäbe: Für die Händler in Raderberg ist es zu spät. Zumal nicht klar ist, ob sich für eine größere Fläche ein Investor finden würde. Michael Rieke setzt auf kommunale Beteiligung. „Was wir hier leisten, ist schließlich auch Daseinsvorsorge“, sagt er. „Die Stadt will gesunde Ernährung fördern, Wochenmärkte, regionale Erzeugung stärken. Das sind kommunale Aufgaben, die hier zusammenfallen.“
SPD will Rolle der Großmärkte durch Antrag im Landtag stärken
Unterstützung bekommen die Großmärkte von der SPD, die sich am Dienstagfrüh mit einer Delegation rund um den NRW-Fraktionsvorsitzenden Jochen Ott ein Bild vor Ort macht. „Es braucht jetzt vor allem Planungssicherheit für die Händler, denn das Interim hier läuft bald aus“, sagt Ott. Die SPD-Fraktion hat im Landtag einen Antrag eingebracht, in dem auch ein Engagement der Landesregierung für die Zukunft der Großmärkte gefordert wird. Auch hier ist von Daseinsvorsorge die Rede, und damit von einer „Aufgabe der öffentlichen Hand“.
Die kommunalen Spitzenverbände sehen das anders. In einer Stellungnahme zum SPD-Antrag schreiben sie: „Festzustellen ist, dass in einigen Städten der Großmarkt seine Funktion als Einrichtung der Daseinsvorsorge längst verloren hat.“ Für Bürgerinnen und Bürger sei er nicht zugänglich, Gastronomie und Einzelhandel hätten auch andere Bezugsquellen. Und: „Eine Gefährdung der Wochenmärkte durch den Wegfall von Großmärkten halten wir pauschal nicht für gegeben.“
Kölner Stadtrat uneinig: Wie lange darf der Großmarkt in Raderberg bleiben?
Auch im Kölner Stadtrat wird die Zukunft des Großmarktes weiterhin unterschiedlich bewertet. Grünen-Fraktionschefin Christiane Martin sagt: „Ein modernes Frischezentrum hat in Marsdorf mit oder ohne FC ausreichend Platz. Eine Ausweitung ist deshalb aus unserer Sicht nicht nötig.“ Und auch CDU-Fraktionschef Bernd Petelkau hält das bisher vorgesehene Areal für „vollkommen ausreichend für ein modernes Frischezentrum – auch weil es Synergie-Effekte gibt.“ Junior-Partner Volt sieht das anders. Fraktionschefin Jennifer Glashagen sagt: „Wir wollen weiterhin einen Großmarkt im Kölner Raum. Wenn es der Realisierung dient und nicht zu weiteren Verzögerungen führt, befürworten wir eine Erweiterung der Flächen.“
In der Opposition setzt man sich derweil vor allem für eine Verlängerung am bisherigen Standort in Raderberg ein. SPD-Fraktionschef Christian Joisten fordert eine Pachtverlängerung, und sagt: „Für uns macht sich die Zukunft des Großmarktes nicht notwendigerweise am Standort Marsdorf fest, aber natürlich macht es viel Sinn, die volle Fläche dort nun wieder in den Blick zu nehmen.“ Die Linke würde einen Beschluss, der die Zukunft des Großmarktes in Marsdorf sichert, mittragen. Jörg Detjen sagt: „Wir brauchen jetzt eine generelle Standortsicherung, Planungs- und Investitionssicherheit.“
Die FDP hält den Standort in Marsdorf für den Großmarkt für falsch. „Wir werden uns weiterhin dafür einsetzen, den jetzigen Standort nachhaltig zu betreiben, bis ein tatsächlicher und adäquater Ersatzstandort gefunden und eingerichtet wird“, sagt Fraktionschef Ralph Sterck.