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„Upload“-PremiereIn der Kölner Oper hat die Zukunft schon begonnen

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Szene mit Julia Bullock und Roderick Williams

Köln – Künstliche Intelligenz ahoi? Als die Deutsche Telekom im Herbst ihren Versuch einer Vollendung von Beethovens zehnter Sinfonie mittels KI präsentierte, ging ob des grandiosen Scheiterns ein Seufzer der Erleichterung durch die Musikwelt. Beethoven digital das Wasser zu reichen – dafür reichte es halt (noch?) nicht.

Aber keine Frage: Die Zeichen stehen an der Wand, und der niederländische Komponist und Filmregisseur Michel van der Aa buchstabiert sie aus in seinem neuen Werk „Upload“, das 2021 bei den Bregenzer Festspielen uraufgeführt wurde und soeben, frisch von einer Session in New York zurückgekehrt, an der Kölner Oper seine corona-bedingt verzögerte deutsche Erstaufführung erlebte. Von einer „Oper“ im gängigen Sinn wird man freilich nicht sprechen können, es ist die Werkthematik selbst, die die kalkulierte Aufsprengung des Genres bedingt.

Michel van der Aa bringt eine Science-Fiction-Oper ins Staatenhaus

In „Upload“ („Hochladung“) geht es indes nicht um die Fertigstellung eines fragmentarischen Musikstücks, sondern um nicht weniger als die Ermöglichung ewigen Lebens für den Menschen: Sein Körper inklusive Gehirn mag, ja muss sterben, sein Geist aber kann – unter anderem mittels brain scanning – zuvor eben „upgeloaded“ und so auf potenziell unendliche Dauer gestellt werden.

Van der Aa packt dieses Motiv einer Science Fiction aus mutmaßlicher naher Zukunft auf der Bühne des Staatenhauses 3 in eine griffige Geschichte: Ein Vater, den der Tod der Ehefrau in Depressionen stürzt, will seine qualvolle leibliche Existenz loswerden, dabei aber, um mit der erwachsenen Tochter in Kontakt zu bleiben, als „mind“ weiterleben. Die begleitenden Wissenschaftler in der „Transformations“-Klinik versichern ihm sogar – diese Szenen werden in Film-Rückblenden eingespielt –, dass das Lebenstrauma in der neuen Existenz zumindest stark abgemildert wird.

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Dräut also ein Eintritt ins Paradies? Eher nicht, wie die Haupthandlung, die Konfrontation des leiblich zum Avatar mutierten Vaters mit der nichts ahnenden Tochter zeigt. Gemeinsam erörtern sie die psychologischen und ethischen Probleme des Uploads: die im Zusammenhang mit KI immer wieder erörterten Themen des Identitätsverlusts, der Bedrohung des Ich durch seine Kopierbarkeit, der Definition von Leben überhaupt und der einer vom Menschen erzeugten Ewigkeit.

Utopie oder Albtraum? Van der Aa gibt auf diese zentrale Frage keine direkte, sozusagen transportable Antwort – „Upload“ ist kein Moralthesenstück, sondern dekliniert zunächst einmal die Perspektiven der digitalen Revolution in einer Versuchsanordnung durch.

Dennoch kippt das Ganze schließlich doch eher in die Richtung einer Dystopie-Diagnose: Der Vater kann hören und sehen, aber der Tochter fehlt wesentlich die körperliche Nähe – sie kann sich mit einer rein mentalen Präsenz ihres Erzeugers nicht abfinden. Und weil dieser entgegen allen Verheißungen den Tod der Frau nicht vergessen kann, fleht er sie an, ihn zu „löschen“. Was die Tochter, trotz des eigenen Leidens an der Situation, einstweilen verweigert. Das Ende bleibt offen.

Julia Bullock und Roderick Williams singen schlichtweg großartig

Es gehört zum entschieden „Gesamtkunstwerklichen“ der Produktion, dass das, was sich da auf der Bühne tut, mit der Beschreibung der narrativen Ebene bei weitem nicht erschlossen ist. Und das traditionelle Opernverhältnis von Musik und Szene ist, wie bereits erwähnt, ebenfalls verflüssigt, negiert, außer Kraft gesetzt. Sicher, im Kern begibt sich ein Kammerspiel zwischen zwei Personen: der Tochter und des Vaters, der, im Nachvollzug des Identitätsproblems, gleich zweimal erscheint: in der Live-Gestalt des in einen Motion-Capture-Anzug gesteckten Sängers und seiner von der Tochter wahrgenommenen Projektion auf einen Bildschirm. Ganz am Schluss fällt dem Publikum die fatale Konstellation noch einmal gleichsam auf den Deckel – wenn sich über ihnen eine Videoleinwand mit den überlebensgroßen Köpfen der beiden aufspannt.

Die Sopranistin Julia Bullock und der (hell timbrierte) Bariton Roderick Williams singen (auf Englisch) schlichtweg großartig in Sachen Artikulation, Klangqualität, allein technische Bewältigung. Freilich räumt ihnen auch van der Aas bekömmliche Musik, zwischen minimalistischen Repetitionen und neoromantischer Emphase angesiedelt, dankbare Gestaltungsspielräume ein. Das von Otto Tausk dirigierte, auf zwei Positionen auf und rechts der Bühne aufgeteilte Ensemble musikFabrik steuert seinerseits Glanzvolles bei. Wo hat je ein Horn in neuer Musik schon einmal schöner geklungen und gesungen?

Ein opulentes, ausgefeiltes und raffiniertes multimediales Schauspiel

Aber all das könnte den Zuschauer im Ergebnis selbst über gedrängte anderthalb Stunden womöglich nicht bei der Stange halten, ereignete sich nicht im Staatenhaus ein opulentes, ausgefeiltes und raffiniertes multimediales Schauspiel – oder sagen wir doch ruhig gleich: Spektakel; mit ineinander flirrenden Zeit- und Raumzonen und unter Aufbietung all jener Befeuerungsmittel, über die das digitale Zeitalter auch im Opernhaus dank hochprofessioneller Zuarbeit der einschlägigen Experten verfügt.

Da gibt es Live- und eingespielte Musik, Live- und zugespielte Videos, zwischengeschaltete Filme, die an Werbematerial erinnern. Vor allem aber stellt van der Aa, ausgehend von der Dachwohnung der Tochter mit ihrem Ausblick auf die Skyline von Manhattan, auf verschiebbaren Leinwänden fesselnde, stilistisch genauso an Max Ernst wie an René Magritte erinnernde futuristische Bildwelten und 3D-Landschaften hin. Fast ein Overkill an Sinnesreizen, deren perfektes Ineinander schon wieder einen Hauch von Kunstgewerbe verströmt. In „Upload“ geht es nicht nur um Zukunft, vielmehr ist die Produktion selbst schon diese Zukunft – und als solche, was immer man von ihr halten mag, sehenswert. Lebhafter Premierenbeifall für alle Beteiligten.