Woher kommt das Geld für die Sanierung der Infrastruktur? Nach dem Kassensturz bei der Autobahn GmbH suchen die Verkehrsminister demnächst in Münster nach neue Finanzierungsmodellen.
Vorstoß des NRW-MinsteriumsWerden Straßen und Brücken auch mit privatem Kapital repariert?
Eine milliardenschwere Finanzlücke droht bei der Autobahngesellschaft des Bundes in den Jahren 2025 bis 2028. Deshalb könnte es zu massiven Verzögerungen bei wichtigen Sanierungsprojekten kommen – mit diesen Problemen wird sich die Verkehrsministerkonferenz der Länder und des Bundes in ihrer Sitzung am 17. und 18. April in Münster befassen.
Das NRW-Verkehrsministerium, das den Vorsitz der Konferenz führt, hat das Thema auf die Tagesordnung setzen lassen. Dabei geht es auch um einen milliardenschweren Infrastrukturfonds, den Bundesverkehrsminister Volker Wissing vorgeschlagen hat. In diesem Fonds könnten Gelder für Schienen, Straßen und Wasserwege über mehrere Jahre gebündelt werden.
Oliver Krischer: „Der Finanzbedarf für Straßen, Schienen und Wasserwege wird noch deutlich weiterwachsen.“
„Ich unterstütze ausdrücklich das Konzept von Bundesverkehrsminister Wissing, den Erhalt und Ausbau der Verkehrsinfrastruktur mithilfe eines Infrastrukturfonds zu finanzieren. Ich würde mich freuen, wenn wir auf der anstehenden Verkehrsministerkonferenz darüber reden und vielleicht auch schon Beschlüsse fassen können“, sagt NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne) auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“.
Alles zum Thema Stadtrat Köln
- Hebesätze So hat der Stadtrat Frechen zur Grundsteuer entschieden
- Keine weitere Belastung Stadtrat beschließt niedrigeren Hebesatz für Grundsteuer in Köln
- Müllgebühren, Hänneschen, Kliniken Diese Entscheidungen hat der Kölner Stadtrat getroffen
- Fähre Kölner Stadtrat sichert Verbindung von Leverkusen-Hitdorf nach Langel für ein Jahr
- Kölner Taxi-Gewerbe kämpft um Existenz „Einen Preiskampf gegen Uber können wir nicht gewinnen“
- Ratsentscheid Köln soll ein virtuelles Bürgerbüro bekommen
- Bezirksregierung hat Bedenken Stadtrat entscheidet erst 2025 über Kölner Ost-West-Achse
„Der Druck ist auf allen staatlichen Ebenen da, denn der Finanzbedarf für Straßen, Schienen und Wasserwege ist auch in den nächsten Jahren und Jahrzehnten enorm und wird sogar noch deutlich weiterwachsen. Und trotz aller Anstrengungen haben weder der Bund noch Länder und Kommunen auch nur ansatzweise ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung, um in Zukunft die notwendigen Haushaltsmittel bereitzustellen“, so Krischer.
„Allein der Erhalt von Brücken über alle Verkehrsträger hinweg wird große Milliardensummen verschlingen. Da ist es richtig, neue Finanzierungsinstrumente ins Auge zu fassen und dafür auch privates Kapital zu mobilisieren. Es spricht nichts dagegen, dass auf langfristige Rendite orientierte Anleger sich am Erhalt und Ausbau des deutschen Verkehrswegesystems beteiligen. Nur so kann unsere Infrastruktur zukunftsfest gemacht werden“, sagte der Minister.
Man dürfe nicht „die Fehler der Vergangenheit wiederholen, wie dies ab den 90er Jahren etwa der Fall war: Da war auch das Geld knapp und gespart wurde vor allem bei den Erhaltungsinvestitionen. Das rächt sich heute und wir zahlen die Zeche für die verfehlte Investitionspolitik der Vergangenheit. Ein Infrastrukturfonds kann allerdings am Ende auch nur dann effektiv sein, wenn es gelingt, die Investitionen klar zu priorisieren. Dabei gilt es, sich vor allem auf Erhalt und Sanierung zu konzentrieren, da haben wir im Moment neben der Engpassbeseitigung im Schienennetz den größten Bedarf.“
Bis 2028 fehlen der Autobahn GmbH 5,5 Milliarden Euro
Die Autobahn GmbH hatte nach einem Kassensturz den Fehlbetrag der kommenden Jahre auf 5,5 Milliarden Euro beziffert. Ein Sprecher sagte, man habe Ausschreibungen für neue Bauprojekte bereits geschoben. „Angesichts der knapper werdenden mittelfristigen Haushaltslage priorisieren wir derzeit intern unsere Projekte.“
Alle Vorhaben, die sich bereits im Bau befinden, würden unverändert fortgeführt. Dazu zählt unter anderem der bereits begonnene Abbruch der alten Leverkusener Rheinbrücke und der Neubau des zweiten Teils, mit dem im kommenden Jahr begonnen werden soll. Das Beispiel der Rheinbrücke zeigt die grundsätzliche Problematik. Mit jedem großen Bauvorhaben bindet sich die Autobahn GmbH mit ihren Finanzen und Ressourcen über lange Zeit.
Im Fall Leverkusen mindestens bis Ende 2027. Dann soll der zweite Neubauteil fertig sein, der nach den bisherigen Berechnungen 426 Millionen Euro kosten soll. Das Gesamtprojekt Rheinbrücke wird einschließlich der Erweiterung der A1 auf acht Fahrspuren zwischen den Anschlussstelle Köln-Niehl und dem Kreuz Leverkusen West rund 1,4 Milliarden Euro kosten.
Brückenbauten in Leverkusen und Rahmede sind nicht in Gefahr
Auch der Neubau der Talbrücke Rahmede an der Sauerlandlinie in Lüdenscheid ist nicht gefährdet. Das alte Bauwerk war im Dezember 2021 wegen irreparabler Schäden gesperrt und um Mai 2023 gesprengt worden. Die Arbeiten an der neuen Brücke laufen auf Hochtouren, weil die gesamte Region unter dem Verkehrschaos leidet und die wirtschaftlichen Schäden für die Unternehmen enorm sind. Der erste Neubauteil soll Mitte 2026 fertig sein.
Bei allen anderen Projekten würden zumindest die Planungen bis zur vollständigen Klärung der Finanzierung weitergeführt, um Verzögerungen zu vermeiden, so die Autobahn GmbH.
Intern ist bei der Autobahn GmbH von einer dramatischen Lage die Rede. Der Kassensturz ist im laufenden Geschäft wegen der Einrichtung des Brücken-Kompetenzzentrums vorgenommen worden, um ein genaues Lagebild darüber zu bekommen, welche Projekte auf keinen Fall auf die lange Bank geschoben werden können.
Modernisierungsprogramm für die Brücken treibt die Kosten nach oben
Das Brückenmodernisierungsprogramm sei ein wesentlicher Kostentreiber, so der Sprecher. Eine schnellere Planung für die Erneuerung der Brücken habe für die Autobahn GmbH Vorrang. Ein Sprecher von Bundesverkehrsminister Wissing sagte, es gebe einen sehr hohen Nachholbedarf bei der Infrastruktur. Das Ministerium könne die Zahlen der Autobahn GmbH über den Mehrbedarf für die Bundesfernstraßen bestätigen und werde sich in den Haushaltsverhandlungen dafür einsetzen, dass ausreichend Mittel zur Verfügung gestellt werden.
Brückenpläne von Bundesverkehrsminister Wissing kamen 2022
Wissing hatte im März 2022 ein Maßnahmenpaket für eine schnellere Brückenmodernisierung vorgelegt. Bei vielen Brücken hat die intensive Beanspruchung in den vergangenen Jahrzehnten Spuren hinterlassen, vor allem durch den zunehmenden Schwerverkehr.
Laut Autobahngesellschaft wurden rund 55 Prozent aller Brückenbauwerke in Deutschland vor 1985 erbaut. Brücken alterten und müssten darüber hinaus erheblich gestiegene Verkehrslasten tragen. In den kommenden Jahren sollen 400 Brücken pro Jahr saniert werden. Insgesamt gelten mehr als 4000 Brücken von rund 28.000 Autobahnbrücken in Deutschland als sanierungsbedürftig.
Das Finanzloch bei der Autobahn GmbH kommt der Stadt Leverkusen in politischer Hinsicht nicht ungelegen. Sie wehrt sich mit der Initiative „Keinen Meter mehr“ schon lange gegen den bereits beschlossenen geplanten Ausbau der sogenannten Megastelze auf der A1 zwischen den Kreuzen Leverkusen-West und Leverkusen auf vier Fahrstreifen pro Richtung. Ebenfalls unerwünscht ist der Stadt die große Lösung bei der Erweiterung des Leverkusener Kreuzes, sie weiß dabei die NRW-Landesregierung hinter sich.
Die überwiegende Mehrheit im Stadtrat hofft noch auf den Bau eines Tunnels in der kurzen Variante. Die Stelze steht auch auf der Liste jener Brückenbauwerke, deren Sanierung bis 2035 in Angriff genommen werden muss. Höchst umstritten ist auch der geplante achtspurige Ausbau der A3 zwischen Leverkusen und dem Kreuz Hilden, ein weiteres Projekt, das im Bundesverkehrswegeplan als vordringlich eingestuft wird. Dort sieht es derzeit danach aus, als werde man sich vorerst mit der Ertüchtigung und der Freigabe der Standstreifen begnügen.
Weitere Großprojekte auf dem Kölner Autobahnring sind der Ausbau der Kreuze Köln-Süd und Gremberg und der umstrittene Neubau der Rodenkirchener Brücke. (mit dpa)