Leverkusen – Es ist die Hochzeit, die aus den zehn Jahren am festesten im Gedächtnis verankert ist. Eine junge Frau, unheilbar krank, gab ihrem Mann vor den drei Kindern im schick hergerichteten Aufenthaltsraum der Palliativstation am Klinikum Leverkusen das Jawort. Alles war wunderbar, bis Mann und Kinder wieder nach Hause mussten. „Dann hat die Frau die Kräfte verlassen, sie hatte Schmerzen und viel geweint“, erinnert sich Elke Merges, pflegerische Leiterin der Station.
Sie habe ihr das Hochzeitskleid ausgezogen, die Klammern aus der Hochsteckfrisur entfernt und sie zu Bett gebracht. „Etwas, was der Mann in der Hochzeitsnacht machen sollte, und hier war es nun einmal eine Krankenschwester. Das waren sehr intensive Momente“, erzählt Merges.
Selbstbestimmte Zeit
Sie und die leitende Oberärztin Andrea Heider können von vielen besonderen Momenten erzählen aus den zehn Jahren, die es die Palliativstation nun gibt. Hier werden Menschen behandelt, deren Krankheit im angrenzenden Klinikum nicht mehr geheilt werden kann. Die aber noch Hoffnung auf eine selbstbestimmte Zeit, wenn auch von unbestimmter Dauer haben.
Etwa zwei Wochen bleiben Patienten im Schnitt in einem der zehn hübsch hergerichteten Zimmer. „Unser primäres Ziel ist es, belastende Symptome der Erkrankung zu lindern“, erklärt Merges. Und die Menschen durch Medikamente, Therapien und vor allem viel Liebe soweit wiederherzustellen, dass sie die Station verlassen können. Neben den examinierten Pflegekräften helfen auch Physiotherapeuten, Psychologen, Seelsorger sowie Musik- und Kunsttherapie dabei, die Gäste wieder aufzubauen. Im besten Fall können sie dann wieder nach Hause, ansonsten in eine Pflegeeinrichtung oder ein Hospiz.
Fluthilfe im Pallilev
Sehr glücklich sind sie darüber, dass vor einem Jahr das Pallilev eröffnet hat. „Vorher mussten wir Patienten in Hospize außerhalb der Stadt verlegen, da ist es ihnen häufig schwer gefallen, unser Haus zu verlassen“, erzählt Heider. „Dass wir jetzt ein Hospiz in Leverkusen haben, mit dem wir auch sehr gut zusammenarbeiten, ist wunderbar.“
Noch enger zusammengerückt sind die beiden Einrichtungen seit der Hochwasserkatastrophe im Juli. Als das Wasser der Dhünn den Gesundheitspark überflutete, blieb die Palliativstation zwar trocken. Aber die zentrale Strom- und Sauerstoffversorgung war weg – also mussten die Patientinnen evakuiert werden. Und kamen mitsamt der Pfleger in Steinbüchel unter.
„Die Versorgung unserer Leute im Pallilev war nur möglich, wenn wir mit anpacken, also haben wir fünf oder sechs Tage gemeinsam in Steinbüchel gearbeitet, das war eine sehr intensive Zeit“, sagt Merges. Seitdem weiß sie genau, wer am anderen Ende der Telefonleitung ist, wenn sie anruft, um einen Patienten zu übergeben. „Da macht die Zusammenarbeit noch mehr Spaß.“
Es ist kein normaler Klinikbetrieb, der hier herrscht. „Im Zentrum steht der Patient. Nicht der Betrieb, der am Laufen gehalten werden muss“, sagt Merges. „Wir lassen die Leute ausschlafen und den Frühstückswagen so lange stehen, bis alle gegessen haben.“ Dank der finanziellen Unterstützung des eigenen Fördervereins gibt es einen schön gestalteten Garten, ein Klavier, ein großes Aquarium mit heiß geliebten Fischen.
Mit Pflegebett in den Regen
„Die bekommen viel zu viel Futter, um sie an die Scheibe zu locken“, lacht Merges. In der kleinen Teeküche werden auf Wunsch auch Eier gebraten oder Waffeln gebacken. Auch so manch ungewöhnlichen Wunsch haben die Mitarbeiter schon erfüllt. „Wir hatten einmal einen heißen Sommertag, dann kam ein Gewitter und ein warmer Sommerregen. Eine Patientin sagte, dass sie früher immer so gerne durch warmen Regen gelaufen sei“, erzählt Merges. „Da haben wir sie mit ihrem Bett einfach nach draußen geschoben. Danach war alles klatschnass, aber die Frau war überglücklich.“
Margit Möbius sitzt in ihrem Zimmer, ein Malbuch und ordentlich sortierte Buntstifte vor sich auf dem Tisch und strahlt, als der Besuch das Zimmer betritt. „Da muss ich erst 85 werden, um in die Zeitung zu kommen“, sagt sie. Vor 40 Jahren hatte die Schlebuscherin eine Herzoperation. „Danach konnte ich lange gut leben.“ Doch nun schwächelt das Herz und es kommen noch andere Erkrankungen hinzu. Das Atmen fällt schwer. Das Lachen nicht. „Ich lache einfach gerne. Jammern habe ich nie gelernt“, sagt die 85-Jährige, die über die Nase mit Sauerstoff versorgt wird.
So lange lachen, wie es geht
Schön findet sie es auf der Palliativstation, fast wie in einem Hotel sagt sie mit Blick auf den liebevoll gestalteten Garten. „Hier ist man gut aufgehoben, ich bekomme Therapie, Gymnastik, wir gehen spazieren und die Leute sind alle sehr nett“, erzählt die Patientin. Aber: Zuhause ist es doch am Schönsten. Und so freut sie sich, dass sie am nächsten Tag wieder nach Hause darf, zu einer ihrer drei Töchter. Möbius hat sich gegen aggressive Behandlungsmethoden und schwerwiegende Operationen entschieden, will lieber selbstständig bleiben, so lange es eben geht. Und lachen.