Mario Puddu führt eines der ältesten Feinkostgeschäfte Kölns. Er bildet den Auftakt zu unserer neuen Serie, in der wir internationale Supermärkte vorstellen.
Klein-Sardinien im WeyertalMario Puddu pendelt seit fast 50 Jahren zwischen Schinken und Käse
In diesem Geschäft bleibt die Zeit stehen. Täglich. Mehrfach täglich sogar. Und zwar nicht, weil die Wanduhr mit der Kaffeewerbung auf dem Ziffernblatt einen Defekt hätte, sondern weil die Kundschaft beim Betreten quasi in den Leerlauf schaltet. Man atmet das leichte Mortadella-Aroma ein, als befände man sich in einem Kurort mit Heilklima und vergisst die 13 Posten auf der To-Do-Liste, die bis zum Abend abgehakt sein sollten.
Ein Fünf-Meter-Laufsteg
Vor der Theke von Mario Puddu sieht man selten ungeduldige Blicke oder nervös klopfende Fingerspitzen, weil es vielleicht nicht schnell genug voran geht. Mit seinen bald 70 Jahren läuft der Padrone ohnehin noch immer flink über seinen fünf Meter langen Laufsteg von rechts nach links – von Schinken zu Käse – aber manche Dinge lassen sich eben nicht beschleunigen.
Die Theke ist das Herzstück des Geschäfts, das kommendes Jahr sein 50-jähriges Bestehen feiern kann. Älter, nämlich genau ein Jahr, ist nur der italienische Supermarkt Nadia in Köln-Mülheim. Ansonsten gehört Puddu zu den Pionieren, die italienische und vor allem sardische Spezialitäten der Kölner Kundschaft schmackhaft machten.
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Gekommen, um zu bleiben
Der 69-Jährige stammt aus dem sardischen Bergdorf Ussassai. Seine Frau Angela hat er bereits als Baby kennengelernt; nämlich bei der Taufe in der Kirche, wo er seinerzeit Messdiener war. Mit 19 Jahren verließ er seine Heimat. Er kam, um zu bleiben, könnte man rückblickend sagen; denn im Grunde hat Puddu Sülz nie verlassen.
Die Theke ist das Herzstück des seit 2005 am Weyertal bestehenden Geschäfts, das davor einen Steinwurf entfernt in der Palanterstraße war. Ähnlich wie beim Juwelier der Tresor ist die Theke Aufbewahrungsort für die besonderen Schmuckstücke. Denn in der Tat könnte man fast den Eindruck haben, dass Mario Puddu den Parmaschinken wie fragiles Blattgold behandelt, wenn er Scheibe für Scheibe auf das gefettete Papier bettet.
„Einkaufen wie im Urlaub“ – alle Texte
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Bottarga – sardischer Fischrogen
Neben den Wurst- und Schinkenspezialitäten gibt es eine große Auswahl an sardischem Peccorino und natürlich auch anderen Lebensmitteln aus Puddus Heimat, die man sonst kaum in Köln bekommt. Ein Kunde kommt extra aus Rodenkirchen, um fürs Wochenende eine Packung Fregula zu kaufen, maiskorngroße Hartweizen-Stückchen, eine typisch sardische Pasta. Auch er wird beim Hereinkommen mit „Buon giorno Dottore“ begrüßt. Mit der Anrede – wahlweise auch Professore oder Ingegnere – könnte man nichts falsch machen, sagt Puddu lächelnd.
Ebenfalls Typisch: Bottarga, gepresster Fischrogen – sozusagen der sardische Kaviar. Es gibt Wein aus Sardinien, Ichnusa – das inseltypische Bier, Culurgiones – gefüllte Teigtaschen, Artischocken, Olivenöl, Pane Carasau – hauchdünne, knusprige Teigscheiben, Mirto – aus Myrte gewonnener Likör, sowie Miele Amaro di Corbezzolo, einen ganz besonderen und daher sündhaft teuren Honig (das 250 Gramm-Glas 17,95 Euro). Er habe eine starke antientzündliche Wirkung, weshalb er auch gern bei Halsschmerzen eingesetzt werde, sagt Puddu.
Er selbst ist übrigens fast ein medizinisches Wunder: Abgesehen von den kurzen Fehlzeiten wegen einer Blinddarm- und einer Meniskus-Operation, hat er seit fast fünfzig Jahren nie flach gelegen. Und er ist wohl der einzige Mensch, der mit zunehmendem Alter keinem Schrumpfungsprozess unterliegt. „Signora, wenn man nur 151 Zentimeter groß ist, kann man nicht noch kleiner werden!“
Italienische und Sardische Feinkost, Weyertal 5, Köln-Sülz. Öffnungszeiten: Dienstags bis freitags 9-19, samstags 8-15 Uhr.
Die Serie „Einkaufen wie im Urlaub“
In unserer Sommerserie „Einkaufen wie im Urlaub“ stellen wir internationale Supermärkte und Geschäfte in Köln vor, in denen für bestimmte Länderküchen charakteristische Lebensmittel erhältlich sind, die sonst nur schwer zu bekommen sind. So lässt es sich auch zu Hause so kochen und genießen, als befände man sich in einem langen Sommerurlaub. (red)