Die Stadt Bonn will die Plattform X künftig nur noch bei Notfällen nutzen, weil deren Entwicklung im Widerspruch zu Bonns Werten stünde.
„Plattform steht in Widerspruch zu Grundwerten“Stadt Bonn legt X-Account größtenteils still

Auf dem offiziellen Profil der Plattform X auf dem Bildschirm eines Smartphones und auf dem Display eines Laptops ist der weiße Buchstabe X auf schwarzem Hintergrund zu sehen. (Symbolbild)
Copyright: Monika Skolimowska/dpa
Die Bundesstadt Bonn hat angekündigt, sich größtenteils von der Online-Plattform X (ehemals Twitter) zurückzuziehen. Der Kanal bleibe zwar bestehen, werde aber nur noch für Eilmeldungen in Notfällen genutzt, so die Stadt Bonn.
Als Begründung gibt die Stadt an, dass sich der Dienst zu einem undemokratischen Ort voll Desinformation und Hass entwickelt habe – und schließt sich damit zahlreichen anderen deutschen Institutionen an.
Stadt Bonn: X-Konto wird nur noch für Notfälle genutzt
Die Stadt Bonn „hat am Montag, 10. Februar, ihren Kanal auf der Social-Media-Plattform X (ehemals Twitter) ruhend gestellt“, heißt es in einer Mitteilung der Verwaltung, die auch auf X erschien. Der Kanal werde nicht gelöscht, bleibe aber nur bestehen, um in Notfällen genutzt werden zu können, zum Beispiel bei Bombenfunden und größeren Schadensereignissen.
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Mit dem Schritt folgt die Stadt Bonn zahlreichen anderen Institutionen, Organisationen und Bildungseinrichtungen, die sich ebenfalls aus „Verantwortung für eine respektvolle und faktenbasierte Diskussion“ von X zurückgezogen haben.
„Als zweites politisches Zentrum Deutschlands, UN-Stadt und Stadt des Grundgesetzes steht Bonn für demokratische Werte, Vielfalt und eine konstruktive Diskussionskultur“, so die Verwaltung in ihrer Begründung. In den vergangenen Monaten habe sich die Plattform X aber zunehmend zu einem Ort entwickelt, wo „Desinformation, Hassrede und undemokratische Tendenzen verstärkt auftreten. Diese Entwicklung steht im Widerspruch zu den Grundwerten, für die Bonn eintritt.“
Hochschulen und Bildungseinrichtungen erklärten Rücktritt von X
Die Stadt werde dennoch weiterhin in anderen sozialen Netzwerken vertreten sein, unter anderem Facebook und Instagram, sowie auch Mastodon und YouTube. Auch die etablierten Kanäle wie die städtische Webseite und Newsletter seien weiterhin verfügbar.
Die Stadt schließt sich damit einer kürzlichen Welle von Rückzügen aus X an, die von der Initiative der Heinrich-Heine-Universität (HHU) in Düsseldorf ausging – unter dem Titel „#WissXit: Wissenschaftliche Institutionen verlassen Plattform X“. Mehr als 60 Hochschulen und Bildungseinrichtungen verkündeten in einer gemeinsamen Aktion, X zu verlassen.
Die HHU bezog deutlich Stellung zu ihrem Schritt: „Die Entwicklungen auf X zeigen, dass die Plattform ihrer Verantwortung nicht mehr gerecht wird, einen fairen und demokratischen Diskurs zu fördern. Als wissenschaftliche Institutionen können wir dies nicht hinnehmen“, erklärte Anja Steinbeck, Rektorin der HHU in einer Mitteilung.
Unter den Bildungseinrichtungen, die X in der konzertierten Aktion verließen, waren auch die Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft in Alfter bei Bonn, die Deutsche Sporthochschule Köln, die Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, die Katholische Hochschule Nordrhein-Westfalen mit Sitz in Köln, die Technische Hochschule (TH) Köln und die RWTH Aachen.
Stadt Köln stellt Aktivitäten auf X schon 2023 zum Großteil ein
Die Stadt Köln hatte sich schon im Jahr 2023 größtenteils von X zurückgezogen. Der Kanal ist auch hier weiterhin für Eilmeldungen und Notfälle aktiv, in einer im Account angehefteten Mitteilung wird jedoch betont, dass alle „Aktivitäten auf X auf ein Minimum reduziert“ seien.
Die öffentliche Kritik an dem Kurznachrichtendienst X nahm immer weiter zu, nachdem der Unternehmer Elon Musk Twitter im Jahr 2022 gekauft, in X umbenannt hatte und zahlreiche Sicherheitsmaßnahmen, die für kritische Inhalte galten, abgeschafft und eingeschränkt hatte.
Beispielsweise wurden die Bedingungen für die sogenannten blauen Haken, die einen Account als geprüft seriösen und vertrauenswürdigen offiziellen Kanal einer Institution auszeichneten, geändert. Seit Musks Übernahme können blaue Verifikations-Häkchen einfach gekauft werden. Das beeinflusst auch Diskussionen auf dem Dienst, da Inhalte von bezahlten Accounts sichtbarer ausgespielt werden.
Wie schnell dies zu Verwirrung führen kann, zeigt ein Beispiel des Kanals „@StadtLeverkusen“. Hinter dem Account verbirgt sich nämlich nicht die Verwaltung der Stadt, sondern ein Satire-Profil. Einen blauen Haken bekam der Kanal im Jahr 2022 trotzdem. Ein Betreiber des Accounts sagte gegenüber dem „Leverkusener Anzeiger“, dass er den Haken gekauft habe, um zu zeigen, wie absurd es sei, was Elon Musk da treibe. Inzwischen ist der blaue Haken verschwunden.
Ein Forum für die Verbreitung von Hass und Hetze.
Auch die Gewerkschaft Verdi und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) bezeichnete den Dienst bei ihrem Ausstieg aus X im Januar 2025 als „Forum für die Verbreitung von rechtsextremistischen Positionen, Hass und Hetze, Demokratiefeindlichkeit und Desinformation“.
Anlass für die Stellungnahme und den Rückzug von dem Dienst der beiden Gewerkschaften war das Live-Gespräch zwischen Elon Musk und AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel am 9. Januar.
Es werde immer offensichtlicher, dass die Algorithmen der Plattform demokratiefeindliche Narrative bevorzugt behandelten und „diese Marginalisierung der überwiegenden Mehrheit im öffentlichen Diskurs als Meinungsfreiheit“ bezeichneten, so die Gewerkschaft. Elon Musk begründete die meisten seiner Veränderungen an X damit, die Redefreiheit zu verteidigen und zu priorisieren. Er reaktivierte auch viele Konten, die zuvor wegen Regelverstößen gesperrt wurden, beispielsweise wegen rassistischer, gewaltverherrlichender oder verschwörungstheoretischer Inhalte.
Studien bestätigen vermehrte Hassrede und Reichweite von rechtsgerichtetem Inhalt
Eine Studie, die von Twitter 2021 – ein Jahr vor der Übernahme durch Elon Musk – selbst in Auftrag wurde, bestätigte damals schon, dass der Algorithmus die Reichweite von rechten und konservativen Parteien und Abgeordneten durchaus bevorzuge. In sechs von sieben untersuchten Staaten profitierten demnach Parteien aus dem moderaten politisch rechten Spektrum stärker vom Algorithmus als linke Parteien – Deutschland bildete hier eine Ausnahme.
Besonders groß war das Ungleichgewicht der Reichweite von Tweets in Abhängigkeit von der Partei demnach in Kanada, wo liberale Tweet um 43 Prozent verstärkte Reichweite erzielten, Tweets von Konservativen aber 160 Prozent. Eine Erklärung für das Missverhältnis lieferte die Studie nicht.
Ein aktuelleres Forschungspapier von 2024, veröffentlicht in der Association for Computatoinal Linguistics, untersucht anhand von Musks Twitter-Übernahme, wie sich seine Durchsetzung der Redefreiheit und reduzierte Moderation von Inhalten auf soziale Medien auswirkt. Das Papier stellt in der Tat die Zunahme von Hassrede gegen LGBTQI+-Personen, Liberale und ethnische Minderheiten und einen starken Anstieg von Inhalten mit rassistischen und sexistischen Äußerungen fest.