Tausende gingen im Rhein-Sieg-Kreis gegen Rechtsextremismus und die AfD auf die Straße. Doch was ist vom Protest geblieben?
Tausende TeilnehmerWie es nach Demos gegen Rechtsextremismus in Rhein-Sieg weitergehen soll
„Nie wieder ist jetzt“: Das war die Parole, unter der Tausende im Rhein-Sieg-Kreis gegen Rechtsextremismus und die AfD auf die Straße gingen. Organisiert meist von Bündnissen aus Parteien, Vereinen und Kirchen. Doch was ist geblieben vom Einsatz für die Demokratie und Vielfalt?
Hennefs Bürgermeister Mario Dahm (SPD) war Schirmherr einer Mahnwache und Kundgebung, an der sich schließlich fast 3000 Menschen beteiligten. In einer viel beachteten Rede bezog er deutlich Stellung gegen Rechts und die AfD, warb für ein buntes Hennef. „Bisher ist mir keine Planung einer weiteren Veranstaltung bekannt“, sagte er auf Anfrage dieser Zeitung.
Breit angelegtes Netzwerk gegen Rechtsextremismus in Niederkassel geplant
„Ein wirkliches Bündnis gibt es nicht, nur den Arbeitskreis gegen Extremismus, zu dem die Verwaltung jährlich einlädt mit Vertretern aus den Fraktionen“, so Dahm weiter. Für regelmäßige Aktionen müsse mehr Leute geben, die sich auch kümmern, wünscht er sich Engagement aus der Bürgerschaft.
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Auf dieses Engagement aus der Bürgerschaft setzen in Niederkassel zahlreiche Organisationen und Institutionen, die nach der Demonstration gegen Rechtsextremismus am 29. Januar ganz konkret etwas gegen Politikverdrossenheit und Demokratiemüdigkeit tun wollen. Geplant ist ein breit angelegtes Netzwerk. Im Moment ist man noch in der Planungsphase. Unterstützung haben nach Angaben der Initiatoren aber bereits zahlreiche Institutionen zugesagt. Darunter sind der Verein Interkultur, die Stadtentwicklungsgesellschaft (SEG), die Stadtschulpflegschaft, der Förderverein Probiblio der Stadtbibliothek, der Förderverein Promusica der städtischen Musikschule, der Stadtsportverband und die Mondorfer Alfred-Delp-Realschule, die das Siegel„ Schule ohne Rassismus“ trägt.
In Eitorf fand die größte Kundgebung im Rhein-Sieg-Kreis statt – mehr ist nicht geplant
In Eitorf ist das große Bündnis von Parteien und Vereinen gegen die AfD und Rechtsextremismus zunächst eine einmalige Sache, wie Organisatorin Sandra Krautscheid von den Grünen auf Anfrage berichtet. 3000 Menschen waren am 24. Januar auf die Straße gegangen, um gegen eine AfD-Veranstaltung im Eitorfer Bürgerzentrum und für die Demokratie zu demonstrieren.
Sie sei froh, dass diese große Veranstaltung habe gestemmt werden können, so Krautscheid. Weitere Projekte des parteiübergreifenden Bündnisses gebe es aber zunächst nicht: „Im Moment ist nichts Konkretes geplant“, sagte die Vorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen in Eitorf. Ihre Partei werde aber sicher das Erstarken der AfD zum Thema im Wahlkampf machen.
„Ein Aufschlag ist gemacht“, sagt Philipp Starke, Sprecher der Siegburger Grünen, mit Blick auf den 31. Januar, als auf dem Siegburger Markt Tausende von Menschen ein Zeichen gegen Rechtsextremismus setzten. In einem nächsten Schritt habe er jetzt die „etablierten Parteien“ CDU, SPD und FDP angefragt, wie es mit einem übergreifenden Bündnis weitergehen könnte.
„Die Problematik verschwindet nicht von heute auf morgen“, ist er sicher. „Alle sind sehr positiv, dass wir etwas auf die Beine stellen können.“ In etwa zwei Wochen wolle man besprechen, was konkret möglich wäre. Wenn ein Grundgerüst stehe, könne man über die Parteien hinausgehen und auf andere Akteure einbinden.
Weitere Aktionen sind in Siegburg in Planung
Denkbar ist für Starke auch eine Beteiligung der Siegburger Bürgerunion (SBU). Diese war zwar aus der ursprünglichen AfD um Gründer Bernd Lucke hervorgegangen, firmierte aber später im Stadtrat als Liberal-konservative Reformer, schließlich als SBU. Der Vorsitzende Ralph Wesse hatte gegenüber dieser Zeitung betont, die AfD sei nach seiner Beobachtung mittlerweile klar rechtsextrem, und damit habe die SBU nichts zu tun.
„Ich finde das sehr gut“, sagt Christa Feld, Geschäftsführerin der Flüchtlingsinitiative Lohmar-Siegburg, angesprochen auf die Initiative von Philipp Starke. „Es tut sich etwas, auf jeden Fall“, bekräftigt sie. Ihre Initiative und andere Akteure wie die Awo Bonn/Rhein-Sieg seien derzeit „in einer Findungsphase“, um weitere Aktionen zu planen, die über Kundgebungen und Demonstrationen hinausgehen.
Dazu könnten Lesungen mit Zeitzeugen und Ausstellungen gehören oder die Fertigung von Buttons, um zu zeigen „hier stehen wir, ihr könnt uns ansprechen“. Wichtig sei auch, darüber zu informieren, welche konkreten Folgen es für die Bevölkerung hätte, wenn die Programmatik der AfD in Regierungspolitik umgesetzt würde. Auf dem Siegburger Markt hatte sie gemahnt: „Hitler hat das System nach der Machtübernahme in vier Wochen so umgebaut, dass er nicht mehr zu entmachten war.“
In Sankt Augustin kamen 3000 Menschen zur Kundgebung „Jeck gegen Rechts“ am Karnevalsfreitag. Nun soll es weitergehen. „Geplant ist eine Diskussionsveranstaltung“, so die Mitinitiatoren Denis Waldästl (SPD) und Sascha Lienesch (CDU). Das „Bunte Bündnis gegen Rassismus und Fremdenhass und für Demokratie“ besteht aus den Parteien CDU, SPD, Grüne und FDP sowie der Wählerinitiative „Aufbruch!“. Ebenso Gründungsmitglieder sind die evangelische und katholische Kirche in Sankt Augustin. Genaue Details einer Veranstaltung müssten allerdings noch gemeinsam mit allen besprochen werden, so Waldästl und Lienesch.
Benefizkonzert gegen Rechtsextremismus könnte in Lohmar steigen
Nach der großen Demonstration in Lohmar mit rund 3000 Beteiligten entwickelt das unabhängige, parteiübergreifende Planungsteam derzeit neue Ideen. Ein Benefizkonzert, eventuell Open Air, könnte im Sommer stattfinden und ein Zeichen für Demokratie und Toleranz setzen, so Mit-Organisatorin Christina Kaemmerer. „Es ist uns wichtig, die Unzufriedenen zu erreichen. Und diejenigen, die aus Protest rechtsextrem wählen wollen oder gar nicht.“
Wir hatten die Demos, aber wie geht es jetzt weiter? Diese Fragestellung beschäftigt auch den Evangelische Kirchenkreis An Sieg und Rhein (Ekasur). „Rechtsextremismus und Rassismus wirken wir mittel- und langfristig durch Bildung entgegen“, ist Superintendentin Almut van Nieker überzeugt. Daher werde das Thema sowohl beim Konfirmandenunterricht als auch in der Erwachsenenbildung verankert, wo soeben ein Workshop gegen Rassismus zu Ende gegangen ist. Dieser soll nun regelmäßig stattfinden, auch werde das Seminar „Gegen Stammtischparolen“ neu aufgelegt.
Demokratie und Engagement gegen Rassismus Thema in Schule und Kirche
Die Landeskirche habe sogar eine Vorlage entworfen, wie das Eintreten gegen Rassismus und für die Vielfalt im Konfirmandenunterricht thematisiert werden könne, berichtet Ekasur-Sprecherin Anna Neumann. Unter allem beinhaltet diese Filme zu den Demonstrationen, Diskussionen, das Gestalten eines Demo-Plakats. „Wir ermutigen alle 28 Gemeinden, den aktuell verfassten Baustein gegen Rassismus in der Konfirmandenarbeit zu verwenden“, so Neumann.
Auf Information setzt auch Stefan Rost, Schulleiter der Erzbischöflichen Gesamtschule Sankt Josef in Bad Honnef. Im Politikunterricht der Klassen 7, 9 und 10 und auch im Fach Gesellschaftslehre in der 5. und 6. Klasse würden Demokratieverständnis und Menschenrechte thematisiert. Durch Gemeinschaftsaktionen wie den Sternenmarsch der Bad Honnefer Schulen für eine „Demokratie ohne Haken“ sei das Thema ganz besonders in den Fokus gerückt, sagt Rost.
„Die Schulen haben ja auch den Auftrag, im Sinne der Demokratie zu vermitteln und verfassungsfeindliche Strömungen und Tendenzen zu thematisieren“, erläutert Rost, der selber Geschichtslehrer ist. „Diesen Auftrag nehme ich gerne an. Aber mit der gebotenen Neutralität.“ Schulen könnten sich nicht gegen eine Partei positionieren. „Aber wir müssen sagen, welche Äußerungen wir für verfassungswidrig und demokratiegefährdend halten.“