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Vorwurf der „Geheimnistuerei“Hendrik Wüst weicht in Mallorca-Affäre Fragen aus

Lesezeit 5 Minuten
Hendrik Wüst DPA 180422

NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst.

Düsseldorf – Die Düsseldorfer Staatskanzlei macht weiterhin keine genauen Angaben zu der Frage, wann NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) von der so genannten „Mallorca-Affäre“ erstmals erfahren hat. Eine Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“, an welchem Datum der Regierungschef erstmal über den Vorgang informiert wurde, wurde von der Regierungszentrale am Osterwochenende nur ausweichend beantwortet.

„Die Staatskanzlei bzw. Ministerpräsident Hendrik Wüst haben im Zuge der Aufklärung von Ministerin Ursula Heinen-Esser über ihren längeren Aufenthalt von dem Abendessen am in Rede stehenden Wochenende im Juli letzten Jahres erfahren“, hieß es.

Mallorca-Affäre: Landtagskreise spekulieren um Wissenstand von Hendrik Wüst

„Im Zuge der Aufklärung“ ist eine Formulierung, die Raum für Spekulationen lässt. Somit bleibt die Vermutung im Raum stehen, dass Wüst bereits vor der Berichterstattung des „Kölner Stadt-Anzeiger“ am 6. April über das Geburtstagstreffen, die zum Rücktritt am 7. April führte, über das umstrittene Treffen auf der Balearen-Insel informiert war.

Bereits am 24. März hatte die damalige Umweltministerin Ursula Heinen-Esser in einem Interview mit der „Rheinischen Post“ eingeräumt, länger auf Mallorca gewesen zu sein, als bis zu diesem Zeitpunkt bekannt war.

In Landtagszirkeln heißt es, Kölner CDU-Kreise hätten den Ministerpräsidenten nach dem erscheinen des Interviews ins Bild gesetzt. Wüst hatte der Ministerin allerdings auch nach der Veröffentlichung in der „Rheinischen Post“ öffentlich den Rücken gestärkt.

Die Staatskanzlei wies jetzt zudem Spekulationen zurück, auch die Teilnahme des damaligen Verkehrsministers an der Runde sei geplant gewesen: „Ministerpräsident Wüst hat an dem in Rede stehenden Abendessen nicht teilgenommen und war auch nicht eingeladen“, hieß es.

Mallorca-Affäre: Abendessen führt zu Rücktritt von Umweltministerin Ursula Heinen-Esser

NRW-Umweltministerin Heinen-Esser hatte NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU), NRW-Europaminister Stephan Holthoff-Pförtner (CDU) sowie die damalige NRW-Integrationsstaatssekretärin Serap Güler zu einem Geburtstagsessen für ihren Ehemann Christian Esser am 23. Juli 2021 nach Mallorca eingeladen.

Die Familie Heinen-Esser hatte den Sommerurlaub so geplant, dass die Feier dort während ihres Aufenthalts stattfinden konnte. Bei der Vernehmung von Heinen-Esser vor dem Untersuchungsausschuss des Landtags behielt die Ministerin das Detail der Geburtstagsfeier aber für sich.

Stattdessen gab sie als Grund für ihren Aufenthalt an, sie habe ihre Tochter abholen müssen. Zum Zeitpunkt der Feier auf Mallorca stand vielen Opfern der Flutkatastrophe das Wasser buchstäblich noch bis zum Hals.

Kurz vor der Landtagswahl in NRW: Hendrik Wüst unter Druck

Knapp vier Wochen vor der Landtagswahl in NRW bringt die Affäre nun auch NRW-Ministerpräsident Wüst in Bedrängnis. Seine Glaubwürdigkeit steht auf dem Spiel. Der Ministerpräsident drücke sich vor klaren Antworten, und betreibe stattdessen „Geheimnistuerei“, sagte Sarah Philipp, Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion, unserer Zeitung.

„Langsam wächst unser Zweifel, dass er erst im Rahmen der Enthüllungen durch den ,Kölner Stadt-Anzeiger‘ von der Mallorca-Affäre seiner Kabinettskollegen erfahren haben will“, erklärte die SPD-Politikerin. „Hier soll offenbar vertuscht werden, wann genau er davon Kenntnis bekommen hat. So schafft man keine Transparenz und auch kein Vertrauen“. Im Gegenteil: Durch „taktische Hinhalterei“ verspiele der Ministerpräsident „seine Glaubwürdigkeit.“

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Sollte Wüst er bereits nach der Veröffentlichung in der „Rheinischen Post“ am 24. März von der Geburtstagsfeier auf Mallorca wusste, hätte er „die Öffentlichkeit ganz offenbar getäuscht“, sagte die SPD-Politikerin. Dann bliebe nur der Schluss, dass hier eine Affäre „unter der Decke gehalten“ werden sollte, so Philipp.

Hendrik Wüst folgt nach kurzer Debatte auf Armin Laschet

Im Sommer 2021 war die Nachfolge des damaligen NRW-Ministerpräsidenten Armin Laschet (CDU) noch ungeklärt. Zwar hatte Wüst sein Interesse bereits angemeldet, aber auch Scharrenbach wurde von Teilen der Union der zu einer Kandidatur für den Parteivorsitz gedrängt. In der Frauen-Union hieß es, Wüst sei zu konservativ und zu provinziell, um in den Großstädten für die CDU punkten zu können. Auch Heinen-Esser warb damals hinter den Kulissen für die Idee, eine weibliche Spitzenkandidatin ins Rennen zu schicken.

Das Treffen auf Mallorca diente möglicherweise auch dazu, die Chancen von Scharrenbach bei einer Kampf-Kandidatur gegen Wüst auf dem Herbst-Parteitag der NRW-CDU auszuloten. Die Variante wurde allerdings nach der Pleite der Union bei der Bundestagswahl im September 2021 verworfen. Damals erschien es geboten, die Geschlossenheit der NRW-CDU beim Neustart ohne Laschet nicht durch Flügelkämpfe zu torpedieren.

In CDU-Kreisen wird befürchtet, dass die „Mallorca-Affäre“ eine ähnliche Tragweite entwickeln könnte wie der „Laschet-lacht“-Vorgang im Bundestagswahlkampf. Damals hatte ein unpassender Lacher des CDU-Kanzlerkandidaten Laschet bei einem Ortstermin im Hochwassergebiet einen hohen Glaubwürdigkeitsverlust verursacht. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass die NRW-CDU eine Wahlniederlage am 15. Mai auch auf die „Mallorca-Affäre“ zurückführen würde.

Staatssekretär lässt Fragenkatalog aus der SPD-Fraktion unbeantwortet

Die SPD nimmt unterdessen auch die Vertretungsregeln innerhalb der Landesregierung ins Visier. So war Heinen-Esser laut einer Aufstellung der NRW-Staatskanzlei in ihrem Urlaub ab dem 21. Juli 2021 Urlaub von Bauministerin Scharrenbach vertreten worden. Die Kabinettskollegin weilte allerdings an dem besagten Juli-Wochenende zeitglich mit Heinen-Esser auf der Insel. In den Tagen der Hochwasserkatastrophe habe in der Landesregierung offenbar eine „organisierte Nichtzuständigkeit“ geherrscht“, kritisiert die SPD-Politikern Sarah Philipp. Bis heute sei unklar, wer Heinen-Esser in ihrem Urlaub vertreten habe.

Der der Chef der Staatskanzlei, Nathanael Liminski (CDU), ließ einen Fragen-Katalog der SPD-Fraktion unterdessen unbeantwortet. In einem Schreiben, das unserer Zeitung vorliegt, schlug er stattdessen vor, unklare Punkte im Untersuchungsausschuss zu beantworten. Wie am Montag zu erfahren war, soll Liminski am 22. April im Ausschuss sprechen. An dem Tag soll auch Heinen-Esser erneut als Zeugin vernommen werden.