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HochwasserschutzStadt Mechernich stellt Liste mit 21 besonders effektiven Maßnahmen vor

Lesezeit 4 Minuten
Im Bereich der Rehgasse in Kommern verläuft der Bleibach zwischen alten Ufermauern. Vorne ist das Geländer einer Brücke zu sehen.

Im Bereich der Kommerner Rehgasse kommen zwei Maßnahmen zum Hochwasserschutz in Betracht: Die Bleibach-Brücken könnten mit klappbaren Geländern ausgestattet und zusätzlich neue Ufermauern errichtet werden.

Die Stadt Mechernich hat eine Liste mit besonders effektiven Hochwasserschutz-Maßnahmen erarbeitet, die zusammen 39 Millionen Euro kosten.

Knapp 110 Einzelmaßnahmen für einen verbesserten Hochwasser- und Starkregenschutz umfasst die Liste, die die Mechernicher Stadtverwaltung in Folge der Hochwasserkatastrophe von 2021 für das Stadtgebiet erarbeitet hat. In einem weiteren Schritt wurden jetzt 21 Projekte aus dieser Liste ausgewählt, die sich besonders einfach umsetzen lassen oder die einen besonders weitreichenden Schutz für Anwohner und Infrastruktur versprechen.

Der Bau von Regen- und Hochwasserrückhaltebecken, die Verbesserung der hydraulischen Leistung von Brücken und Bachläufen oder der Neubau von Abwasserkanälen: Die Maßnahmen sind vielfältig – und teuer. Auf rund 39 Millionen Euro addieren sich die geschätzten Baukosten allein für die 21 Maßnahmen, die Benjamin Freudenberg vom Bochumer Ingenieurbüro Okeanos in der jüngsten Sitzung des Ausschusses für Planung, Verkehr, Umwelt und Klimaschutz vorstellte.

Einen Zeitplan zur Umsetzung der Projekte gibt es noch nicht

Wie lange die Realisierung dieser priorisierten Maßnahmen dauert, ist dabei noch völlig offen. „Es ist derzeit unmöglich, einen Zeitplan vorzulegen“, sagte Freudenberg: „Einige Projekte könnten fünf Jahre dauern, andere zehn Jahre und mehr. Und wenn es Klagen von Anwohnern oder Grundstückseigentümern geben sollte, dauert es entsprechend länger.“

Ich bin ja Landwirt, da ist es üblich, dass man zunächst im Gespräch nach einer Lösung sucht. In Vussem haben wir schon Grunderwerb getätigt.
Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick

Im Gespräch mit dieser Redaktion betonte Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick, dass man zum jetzigen Zeitpunkt nicht über Enteignungen nachdenke, sollte sich ein Grundstückseigentümer gegen den Verkauf von Flächen aussprechen, die beispielsweise für den Bau eines Rückhaltebeckens benötigt würden. „Ich bin ja Landwirt, da ist es üblich, dass man zunächst im Gespräch nach einer Lösung sucht“, sagte Schick: „In Vussem haben wir zum Beispiel schon Grunderwerb getätigt.“ Dort will der Erftverband ein großes Rückhaltebecken am Veybach bauen.

Gerd Altmeier (Grüne) rief seinen Ausschusskollegen die zahlreichen Überschwemmungen in Erinnerung, die sich seit Juli 2021 in ganz Europa ereignet haben. „Wir haben einfach keine zehn oder 20 Jahre Zeit für die Umsetzung der Maßnahmen zum Hochwasserschutz“, so sein eindringlicher Appell. Bürgermeister Schick widersprach Altmeier zwar nicht, behielt jedoch seinen realistischen Blick bei: „Wir können froh sein, wenn diese vorgestellten Maßnahmen in zehn Jahren verwirklicht sind.“

Mechernich bereitet Änderung des Wiederaufbauplans vor

Vieles hänge dabei natürlich auch von der Finanzierung ab. „Das Land wird letztlich entscheiden, welche Projekte umgesetzt werden“, sagte Schick. Nach einer Änderung der Förderrichtlinie sei es möglich, die Baumaßnahmen über den Wiederaufbau abzurechnen. „Wir reichen auf Grundlage unserer Prioritätenliste jetzt einen geänderten Wiederaufbauplan ein“, ergänzte der Erste Beigeordnete Thomas Hambach.

Bei der Auswahl der Projekte habe die Stadt zusammen mit dem Planungsbüro Okeanos eine Bewertungsmatrix entwickelt, um die Auswirkungen der einzelnen Maßnahmen auf den Hochwasserschutz zu berechnen. „Dafür haben wir alle drei Gewässersysteme im Stadtgebiet, also Rotbach, Bleibach und Veybach, getrennt voneinander betrachtet“, erläuterte Freudenberg den Auswahlprozess.

Eine Erkenntnis sei, dass in keinem der drei Gebiete der Bau eines einzigen Rückhaltebeckens ausreichend sei, um Anwohnern und Infrastruktur den notwendigen Schutz zu bieten. „Es ist aber jeweils besonders effektiv, schon im Oberlauf der Bäche aktiv zu werden, weil dann alle Unterlieger von der Entlastung profitieren“, so der Gewässerexperte.

Neue Rückhaltebecken sind an Rot-, Blei- und Veybach geplant

Die Hochwasserrückhaltebecken (HWRB) in Bleibuir (Rotbach), Kalenberg (Bleibach), Urfey (Veybach) sowie das Regenrückhaltebecken (RRB) in Weyer erhalten daher die höchsten Punktebewertungen unter den priorisierten Projekten.

Besonders effektiv erscheint auch eine Einzelmaßnahme in Lessenich: „Um das bei Starkregen anfallende Oberflächenwasser abzuleiten könnte man die vorhandenen Gräben im Bereich ‚Auf der Birke‘ ausbauen“, erklärte Freudenberg. Das Wasser könnte anschließend in eine ehemalige Tongrube eingeleitet werden.

Neue Brückengeländer und Schutzmauern für den Bleibach in Kommern

In Kommern sind zusätzlich zum Umbau des Mühlensees (auch dies eine Maßnahme des Erftverbands) weitere Anstrengungen der Stadt nötig, um das Wasser des Bleibachs im Fall der Fälle schadlos durch den Ort zu leiten. „An den vier Brücken über den Bleibach könnten neue Geländer installiert werden, die bei Überströmung automatisch hochklappen“, nannte Freudenberg eine geplante Änderung, um sogenannte Verklausungen zu verhindern: „Dadurch werden Stauungen minimiert, das Wasser fließt schneller ab.“

Im Bereich der Rehgasse ist außerdem der Neubau von Hochwasserschutzmauern geplant, um die Anwohner besser zu schützen. Allein diese beiden Maßnahmen kosten zusammen rund 4,7 Millionen Euro.

Ähnlich teuer ist auch der Bau eines HWRB in Firmenich, wobei sich die Schutzwirkung auch noch auf den Veybach im Euskirchener Stadtgebiet auswirkt. Als „nahezu alternativlos“ wird der Ausbau des Kanalsystems in der Ortslage Antweiler angesehen. Weil sich das Dorf in einer Senke befinde, laufe dort bei Starkregen regelmäßig das Oberflächenwasser von den umliegenden Äckern und Wiesen zusammen.


Stadt Mechernich lädt Bürger zu Infoveranstaltungen ein

Im Zuge des Wiederaufbaus können die Kommunen jetzt auch sogenannte „No-Regret“-Maßnahmenvorschläge einreichen. Es handelt sich dabei um Projekte, die „im Grundsatz bereits zu einer hydrologischen und hydraulischen Verbesserung führen, ohne negative Effekte auf den Unterlieger zu haben“, wie es die Stadtverwaltung formuliert.

Dabei können auch Projekte gefördert werden, die nicht zum Hochwasserschutz an Fließgewässern beitragen, sondern dem Starkregenschutz dienen.

In allen drei Gewässergebieten im Mechernicher Stadtgebiet, also Rot-, Blei- und Veybach, will die Stadt nach der Sommerpause die Anwohner über den Hochwasserschutz in gesonderten Bürgerversammlungen informieren – wahrscheinlich im September. „Die genauen Termine stehen aber noch nicht fest“, so Bürgermeister Hans-Peter Schick.