Henriette Reker ist seit 2015 die erste Oberbürgermeisterin Kölns. Doch was bleibt von zwei Amtszeiten, die sie selbst eingefordert hatte, am Ende übrig?
Kölns OberbürgermeisterinHenriette Reker wird den eigenen Ansprüchen nicht gerecht
In den vergangenen Wochen des auslaufenden Jahres wirkt Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker (66) bei offiziellen Veranstaltungen müde und genervt. Die beständige Kritik an ihrer bisherigen Arbeit macht Reker sichtlich zu schaffen. Wenn sie in diesen Tagen vor Vertreterinnen und Vertretern aus Politik und Wirtschaft spricht, sind sich ihre Reden zum Verwechseln ähnlich.
Stets betont Reker, dass die zurückliegenden sieben Jahre sehr wohl auch von Erfolgen geprägt gewesen seien – der Schulbau habe an Tempo gewonnen, sie habe eine umfassende Verwaltungsreform angestoßen, die digitale Bauakte sei auf dem Weg, sie spricht von einem Modernisierungsjahrzehnt. Gleichzeitig hat Reker in einem Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ zuletzt eingeräumt, dass es auch ihr nicht schnell genug vorangeht.
In dem Gespräch verwies sie in bemerkenswerter Art auf die aus ihrer Sicht fehlenden Einflussmöglichkeiten eines Stadtoberhauptes hin, sie argumentierte mit der NRW-Gemeindeordnung, die sie einschränke. Reker sagte: „Oberbürgermeisterinnen oder Oberbürgermeister erfahren immer wieder, dass es Grenzen gibt, die sich mit noch so viel Kraftanstrengung nicht verrücken oder überwinden lassen.“ Vor ihren jeweiligen Wahlen 2015 und 2020 war davon allerdings nichts zu hören.
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Rekers Plan waren von Anfang an zwei Amtszeiten, nur so könne sie etwas bewegen. Köln sei mehr als ein „Jeföhl“, sie wolle mehr, sie wolle Köln in die Champions League der deutschen Städte führen. Die zwei geforderten Amtszeiten haben ihr die Wählerinnen und Wähler gegeben. Nach einem Jahrzehnt an der Spitze wird Reker nach ihrem Abtritt 2025 nicht sagen können, die Zeit wäre zu kurz gewesen, um die Stadt voranzubringen.
Auch epische Krisen wie die Corona-Pandemie und der Ukraine-Krieg reichen bei diesem Zeitraum nicht allein als Erklärung dafür aus, warum Reker ihren eigenen Ansprüchen bisher nicht oder nur teilweise gerecht wurde. Längst geht es jetzt darum, was die OB tatsächlich aus ihren zehn Jahren gemacht haben wird, was ihre Bilanz, ihr Vermächtnis, sein wird.
Zumal der Doppel-Haushalt 2023/2024 und die geplanten Ausgaben fix sind, Rekers Spielraum begrenzt ist. Und im letzten Jahr vor der Kommunalwahl im Herbst 2025 ist Reker eine OB auf der Zielgeraden und damit droht ihr, was man im Englischen eine „lame duck“ nennt, eine Führungskraft ohne Macht zu sein. Sie selbst sagt: „Meine Kompetenzen gebe ich erst am letzten Tag meiner Amtszeit weiter.“ Die große Frage, die sich nach diesem Tag stellen wird: Was hat Reker verbessert? Was bleibt von ihr?
Die Verwaltungsreform? Ja, nach vielen Jahren startet jetzt zumindest die digitale Bauakte, aber der Service auf dem Bürgerämtern ist teils katastrophal, beispielsweise im Ausländeramt. Die Reform ist bislang eher ein Reförmchen, nach außen wenig sichtbar, das bestätigt Reker selbst. Der Wohnungsbau? Reker hat trotz mieser Zahlen mehrfach von einer Trendwende gesprochen, die Realität ist eine andere. Die Opernsanierung? Soll 2024 nach zwölf Jahren beendet sein, nach etlichen Rückschlägen geht es nur noch darum, fertig zu werden – irgendwie, damit die Stadt sich zumindest von dieser Last befreit.
Aber sonst? Der seit Jahrzehnten versprochene Anbau des Wallraf-Richartz-Museums? Zumindest hat Reker ihn angeschoben, aber auch hier dauert es quälend lange, er wird lange nach 2025 fertig. Die Historische Mitte am Roncalliplatz? Auch angeschoben, aber es dauert noch Jahre bis zur Umsetzung. Der neue Stadtteil Kreuzfeld? Ebenfalls angeschoben, aber noch Jahre davon entfernt, dass dort Menschen wohnen werden. Der Geißbockheim-Ausbau? Reker entzog dem 1. FC Köln urplötzlich die Unterstützung für das millionenschwere Vorhaben, Verlässlichkeit sieht anders aus. Zumindest werkeln Stadtspitze, Politik und Klub jetzt an einer Lösung in Marsdorf, aber vor allem, weil der Verein vom Warten genug hat und weil die Ratspolitiker das Thema endlich abhaken wollen.
Eigentlich wollte Reker viele Projekte beenden in ihren beiden Amtszeiten, doch ihre Wortwahl hat sich mittlerweile verändert. Sie spricht jetzt öfter davon, Projekte vorangetrieben zu haben.
Und Reker hat sich zuletzt auffällig oft bei kontroversen Themen dünnhäutig gezeigt, reagierte etwa beim Streit über das Chaos im Vorfeld der Sessionseröffnung am 11.11. mit dem Satz: „Dann machen Sie doch mal einen Vorschlag, wie es besser laufen könnte.“
Es ist ein Satz, den die Oberbürgermeisterin stets bemüht, wenn sie unter Druck steht. So fiel dieser auch schon in der Diskussion um den Drogenhotspot Ebertplatz, nachdem dort ein junger Mann getötet wurde, und in der Flüchtlingskrise 2015/2016, als in Köln nicht genug Unterkünfte zur Verfügung standen. Für Lösungen sind allerdings die gewählte Oberbürgermeisterin, die Verwaltung und der Stadtrat zuständig. Als OB ist Reker eben auch Politikerin und nicht mehr wie früher nur eine Spitzenbeamte in einer Stadtverwaltung.
Ihre großen Stärken spielt die Oberbürgermeisterin vor allem abseits des Rathauses aus. Wer schon einmal erlebt hat, wie Reker auf der Straße auf Menschen zugeht, ihnen freundlich begegnet und geduldig zuhört, der spürt eine Leidenschaft für die Stadt und ihre Bewohnerinnen und Bewohner. Kaum einer wird Reker absprechen wollen, dass sie sich wirklich für Köln begeistert.
An guten Tagen kann sie ausgesprochen schlagfertig sein und deutliche Worte finden. Reker zeigt stets klare Kante gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und generell gegen die Unterdrückung von Minderheiten. Das lässt sich sowohl bei Ratssitzungen beobachten, wenn sie konsequent verbalen Entgleisungen begegnet, als auch bei Diskussionsrunden und Fernsehauftritten. Sie verkörpert damit den Kölner Anspruch, eine tolerante, weltoffene, kosmopolitische Stadt sein zu wollen.
Reker überlebte Attentat
Auch von einem rechtsradikalen Gewalttäter, der sie am Tag vor der OB-Wahl 2015 mit einem Messer schwer verletzte und ermorden wollte, ließ sich Reker nicht davon abhalten, die Wahl anzunehmen – noch im Krankenbett, kurz nach mehreren aufwendigen Operationen. Das prägt bis heute das Bild einer unerschütterlichen und standhaften Kämpferin für die Demokratie, die sich dem Extremismus nicht beugt. Die Kölner Oberbürgermeisterin ist bundesweit eine gefragte Gesprächspartnerin, wenn es um diese Themen geht.
Rekers Einsatz für die Schwächsten der Gesellschaft spiegelt sich in ihrer vorherigen Karriere als Sozialdezernentin wider. Nie ließ sie – auch als Oberbürgermeisterin – den geringsten Zweifel daran, dass Köln als viertgrößte Stadt des Landes Verantwortung übernimmt, wenn es darum geht, Geflüchtete aufzunehmen und ihnen zu helfen. Ähnlich konsequent sorgte die OB dafür, dass Köln nur wenige Monate nach dem Kriegsbeginn eine Partnerschaft mit der ukrainischen Dnipro einging. Seitdem sind bereits mehrere Hilfskonvois aus Köln dorthin gefahren.
FDP ist von Reker abgerückt
Im Jahr 2015 war Rekers OB-Kandidatur etwas Neues, sie betonte ihre Parteilosigkeit, es sollte ihre Stärke sein. Einen neuen Politikstil wollte sie herbeiführen, unterstützt von einem großen Bündnis aus CDU, Grünen und FDP. Von all dem ist inzwischen kaum noch etwas zu sehen. Ihre damals viel gerühmte Parteilosigkeit bereitet ihr im Alltag oft Probleme, weil Reker eben keine feste Basis hat, deren Unterstützung ihr Gewiss ist. Das sagt sie selbst.
Die FDP ist schon lange von ihr abgerückt. Und bei Grünen und CDU gibt es schon Politiker, die sich mit jeweils eigenen Kandidaten für die OB-Wahl 2025 beschäftigen. Zur Frage, ob sie diese Diskussionen schwächen, sagt sie: „Ich empfinde das nicht so. Es ist viel zu früh, um diese Debatte seriös zu führen.“ Trotzdem: Noch zweieinhalb Jahre hat Henriette Reker Zeit, um dafür zu sorgen, dass mehr als bislang von ihr überdauern wird.
Daten und Fakten zu Henriette Reker:Henriette Reker ist am 9. Dezember 1956 in Köln geboren. Nach dem Abitur und dem Studium der Rechtswissenschaften arbeitet sie unter anderem als Rechtsanwältin am Landgericht Münster. Von 2000 bis 2010 arbeitete sie als Beigeordnete für Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz bei der Stadt Gelsenkirchen, danach kehrte sie nach Köln zurück und war von 2010 bis 2015 Beigeordnete für Soziales, Integration und Umwelt.
2015 stellten CDU, Grüne, FDP sowie Freie Wähler und Deine Freunde Reker als parteilose Oberbürgermeisterin-Kandidatin auf und sie gewann gegen SPD-Kandidat Jochen Ott klar mit 52,7 Prozent. Sie war damit Kölns erste Oberbürgermeisterin. Fünf Jahre später setzte sie sich erst in der Stichwahl gegen SPD-Kandidat Andreas Kossiski mit 59,3 Prozent durch. Nur Grüne und FDP hatten sie nochmal aufgestellt.
Reker ist mit dem australischen Golftrainer Perry Somers verheiratet und lebt in Köln.