Die OB zieht eine positive Bilanz der ersten Jahreshälfte in Köln und spricht über die Ost-West-Achse, die Beleidigungen von FC-Fans und ihr Outfit zur Opern-Eröffnung.
Henriette Reker„Die Tunnel-Gegner denken zu wenig an die Zukunft“
Frau Reker, die erste Jahreshälfte ist um. Wie blicken Sie bis jetzt auf 2024?
Henriette Reker Es war ein wirklich gutes halbes Jahr für Köln. Die Eröffnung des Stadtmuseums im Haus Sauer oder auch die Brunneneröffnung am Neumarkt haben gezeigt, dass etwas passiert, und das ist das Wichtigste. Wir haben Köln als EM-Stadt aufgestellt und den Stillstand an der Baustelle am Laurenz-Carré beendet, indem wir einen Investor gefunden haben. Wir haben eine Intendantin für die Philharmonie ausgewählt und die Film- und Medienstiftung nach Köln geholt. Ich finde, das kann sich sehen lassen. Wir planen nicht nur Dinge, sondern setzen sie auch um.
Im letzten halben Jahr hat aber auch der 1. FC Köln dem Ausbau in Marsdorf eine Absage erteilt. Hat Sie das überrascht?
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Das hat mich überhaupt nicht überrascht. In den Verhandlungen habe ich festgestellt, dass der FC Köln sich nicht leisten kann, was er gerne möchte. Ich möchte auch, dass der FC ein Leistungszentrum und viele Trainingsplätze baut. Aber Dinge, die man möchte, muss man auch bezahlen können. Wir als Stadt haben uns an die Grenze des Möglichen bewegt, weil ich das Problem lösen wollte. Und nun tut die Situation des Abstiegs natürlich noch mehr weh.
Sie sind von einigen Fans im Stadion daraufhin persönlich beleidigt worden. Wie haben Sie das empfunden?
Ich bin eher enttäuscht über den Vorstand, dass er das hat geschehen lassen und wie er im Anschluss damit umgegangen ist.
In Köln läuft die Fußball-Europameisterschaft nun seit über einer Woche. Wie fällt ihr Zwischenfazit aus?
Die Stadt präsentiert sich gut, das wird mir auch von den begeisterten Fans gespiegelt. Das freut mich und wir haben dadurch eine gute Außenwirkung. Unserem Image als herzliche Gastgeberin und internationale Stadt werden wir gerecht. Das habe ich so erwartet, aber es ist trotzdem schön, dass es so eingetreten ist.
Sechs Wochen vor Turnierstart hat die Stadt angekündigt, am Konrad-Adenauer-Ufer noch eine zusätzliche Public-Viewing-Fläche für die Schottland- und England-Spiele einzurichten. Waren Sie auf den Fan-Andrang nicht ausreichend vorbereitet?
Im Dezember ist bekannt gegeben worden, welche Spiele in welchen Städten stattfinden werden. Dann wussten wir, wer nach Köln kommt. Daraufhin haben wir geschaut, wo wir noch ein Angebot schaffen können, das am Ende auch angenommen wird. Ich habe viele Gespräche über die Fan-Zone am Heumarkt geführt, weil die Anlieger darüber nicht begeistert sind. Aber es ist eben die Realität: Die Menschen kommen da sowieso hin, ob wir dort eine Fan-Zone einrichten oder nicht. Und so können wir die Fans besser steuern, statt es einfach laufen zu lassen.
Die Austragung kostet die Stadt mehrere Millionen Euro, wegen des Konrad-Adenauer-Ufers sind die Kosten zuletzt noch einmal gestiegen. Trotzdem bezeichnet die Stadt die Ausgaben als moderat. Passt das zusammen?
Wir haben von allen Austragungsorten mit Abstand die geringsten Kosten zu verzeichnen. Die Planung ist gut gelungen.
Apropos Finanzen. Die Einbringung des Haushaltes wird nicht wie geplant im August erfolgen. Möglicherweise muss die Stadt das neue Jahr ohne einen beschlossenen Haushalt beginnen. Wie blicken Sie darauf?
Die verschobene Haushaltseinbringung ist mir wirklich schwergefallen. Nicht nur, weil ich es zugesagt habe, sondern weil ich es richtig finde, mit einem beschlossenen Haushalt in das neue Jahr zu gehen. Es war aber nicht anders möglich. Die Rahmenbedingungen durch die Kriegsbelastungen und unglaublich gestiegene Mehrbedarfe sind extrem schwierig. Wir müssen einen Haushalt einbringen, der ausgewogen ist. Das allerletzte, was ich dieser Stadt wünsche, ist eine Haushaltssicherung. Ich kenne das aus Gelsenkirchen, die Kämmerin kennt das aus Duisburg – wenn man das einmal erlebt hat, möchte man das nicht wieder. Ich will nicht, dass uns von anderen verordnet wird, wo wir sparen oder ob wir die Steuern erhöhen müssen. Deshalb geht jetzt Gründlichkeit vor Schnelligkeit.
Über den Ausbau der Ost-West-Achse sollte in dieser Woche der Stadtrat entscheiden, jetzt wird das frühestens am 1. Oktober geschehen. Sie haben einen Tunnelbau immer befürwortet. Glauben Sie, dass es dafür eine Mehrheit geben wird?
An der Ost-West-Achse scheiden sich die Geister, es ist zu einer ideologischen Frage geworden. Ich kann die Argumente verstehen, die heißen, es wird teuer und eine sehr lange Belastung für die Anlieger werden. Aber die Tunnel-Gegner denken zu wenig an die Zukunft. Ich will die Stadt für die nächsten 50 bis 100 Jahre aufstellen. Ich weiß nicht, ob ich noch jemals durch diesen Tunnel fahren werde. Aber die Stadt wird weiterwachsen, und dafür brauchen wir die U-Bahn.
Versuchen Sie, die noch unschlüssigen Fraktionen, wie die SPD, zu überzeugen?
Ich spreche mit allen, aber ich dränge mich nicht als Gesprächspartnerin auf. Es ist mir wichtig, dass eine Entscheidung zustande kommt, und bei so einer weitreichenden Entscheidung möglichst nicht nur mit einer kleinen Mehrheit. Aber es ist ja schon abzusehen, dass das nicht mehr vor der Sommerpause passieren wird.
Aus den Reihen der Grünen sind Vorwürfe zu hören, dass die Förderfähigkeit des Tunnels „schöngerechnet“ worden ist. Trifft es Sie, dass der Verwaltung so etwas unterstellt wird?
Das trifft mich überhaupt nicht. Als Oberbürgermeisterin habe ich eine Stimme im Stadtrat und darf eine Meinung haben. Die Verwaltung hingegen muss Dinge objektiv darlegen, so dass Entscheidungen auf guter Grundlage getroffen werden können. Ja, der Tunnel ist viel teurer als die oberirdische Variante. Die Frage ist doch aber: Ist er auch viel besser? Ich denke ja, und dann darf es auch mehr kosten.
Könnte es einen Bürgerentscheid zur Ost-West-Achse geben?
Ich finde Bürgerentscheide grundsätzlich ein gutes Instrument. Durch das politische Begleitgremium zur Ost-West-Achse sind aber auch Initiativen und die Bürgerschaft an der Entscheidung beteiligt, und die Kölnerinnen und Kölner haben die jetzt im Stadtrat sitzenden Fraktionen gewählt.
Für den Ringschluss der Linie 13 gibt es sehr gute Förderaussichten, doch die Stadt hat kein Personal, um den Ausbau zu planen. Kann so der Ausbau des ÖPNV gelingen?
Das ist sehr bitter. Es ist ein Problem, dass der Öffentliche Dienst im Vergleich zur Wirtschaft nicht so gut zahlen kann, um genug qualifiziertes Personal anzuziehen. Wir haben das Glück, dass wir viele Menschen in dieser Stadt haben, die Köln gestalten wollen. Aber es braucht eine Reform der Bezahlung im Öffentlichen Dienst.
Im Herbst startet das letzte volle Ratsjahr vor der nächsten Kommunalwahl. Was ist Ihnen wichtig, was in diesem Jahr noch passiert?
Zunächst ist mir ein ausgewogener Haushalt wichtig. Den Schulbau weiter voranzutreiben ist mir wichtig, genauso wie die Gestaltung der Klima- und Verkehrswende.
Glauben Sie, dass Sie die Oper noch eröffnen werden?
Ja! (mit Nachdruck)
Noch 2024?
Wir denken nicht mehr in Terminen, sondern in Szenarien. Mein Eröffnungs-Outfit passt ganzjährig. Ich kann verstehen, dass der neue Projektleiter sich nun erstmal einen Überblick über die Baustelle verschaffen möchte. Ich traue Herrn Volm [der neue Projektmanager Jürgen Marc Volm, Anm. d. Red.] das zu, und er hat eine positive Herangehensweise.
Auch der geplante Klinikverbund der städtischen Kliniken und der Uniklinik kommt nicht voran – weil das Land NRW dazu keine Rückmeldung gibt. Ist das Projekt damit gestorben?
Ich kann das Land da nicht mehr verstehen. Wir haben dem Land den Klinikverbund auf dem Silbertablett serviert, wir arbeiten seit vielen Jahren daran. Mit dem Klinikverbund wären die Kliniken der Stadt Köln finanziell stabiler und die Gesundheitsversorgung in Köln noch besser. Wir haben 70 Start-ups aus dem Gesundheitswesen in Köln. Der Klinikverbund würde dem Forschungs- und Innovationsstandort Köln einen großen Schub verleihen.
Wie lange wollen Sie denn noch auf eine Rückmeldung des Landes warten?
Wir warten ja nicht. Wir setzen jetzt das 1+0 Modell [die Konzentrierung der städtischen Kliniken in Merheim] um, das hat der Stadtrat vergangenes Jahr beschlossen. Wenn das Land sich jetzt noch bewegt, ist das wunderbar. Und wir planen nichts, was einem Klinikverbund im Weg stehen würde.
Wollen Sie bei der Kommunalwahl 2025 noch einmal als Oberbürgermeisterin kandidieren?
Es ist nicht mein Plan. Und ich hoffe, dass die Parteien junge, leistungsfähige und Köln-affine Kandidaten und Kandidatinnen vorstellen werden. Bis zu meinem letzten Arbeitstag schaffe ich jedenfalls in Köln zukunftsfähige Strukturen, die die Stadt weit über meine Amtszeit hinaus prägen werden.
Wann werden Sie über Ihre eigene Kandidatur denn endgültig entscheiden?
Ich gehe davon aus, dass im Herbst die Parteien ihre Kandidaten vorstellen werden. Dann sehen wir weiter.
Zur Person: Henriette Reker (67) ist seit 2015 Oberbürgermeisterin von Köln. Zuvor war sie fünf Jahre lang Sozialdezernentin in Köln, von 2000 bis 2010 war sie Sozialdezernentin in Gelsenkirchen. Sie ist studierte Juristin. Bei ihrer ersten Wahl 2015 wurde die parteilose Henriette Reker im Wahlkampf von Grünen, CDU und FDP unterstützt, 2020 nur noch von Grünen und CDU. Für die Kommunalwahl 2025 haben beide Parteien angekündigt, eigene Kandidaten aufstellen zu wollen.